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estrella44

Liebe Forum-User,

ich weiß nicht, wie ich mit den Wesensveränderungen und der mangelnden Einsicht meines Mannes 3 Monate nach der OP umgehen soll. Es ist, als wäre der Bereich der Vernunft im Gehirn nicht mehr vorhanden. Ich habe die Neurochirurgen danach gefragt, sie sagten, das wäre Quatsch. Ich habe vor unserem letzten Termin in der Neurochirurgie die Ärzte vorab informiert über das, was zuhause alles schief läuft. Mein Mann ist sehr aggressiv gegen mich, hat Suizidgedanken, ist nicht einsichtig beim Thema Fahrverbot etc. Ich bin der Meinung, dass mein Mann medikamentöse und psychoonkologische Unterstützung braucht. Bei unserem Termin wurde uns dann kein Lösungsvorschlag angeboten. Eine medikamentöse Therapie z.B. mit Tavor oder einem Antidepressivum wurde abgelehnt. Der Oberarzt meinte, dass das nichts bringen würde. Das Thema Fahrverbot wurde nur kurz angesprochen. Das Problem ist, dass sich mein Mann bei den Ärzten verständig zeigt und zuhause dann gegenteilig handelt. Ich habe Angst, dass irgendetwas passieren könnte. Ich möchte nicht, dass mein Mann im Auto einen epileptischen Anfall bekomt und Dritte dadurch zu Schaden kommen. Alle sehen weg, auch der Hausarzt. Ich bin selber chronisch krank, ich kann das alles alleine nicht bewerkstelligen. Ich habe auch schon mit dem Sozialdienst und den Psychoonkolgen gesprochen, aber niemand greift ein. Der OA hat zu mir gesagt, ich müsse es eben aushalten, dass sich mein Mann verändert hätte. Das ist aber nur die eine Seite, die andere ist seine Androhung von Suizid ( Eigengefährdung) und die mangelnde Einsicht z.B. beim Fahrverbot ( Fremdgefährdung). Autoschlüssel etc. verstecken kann man vergessen, da er dann sehr aggressiv wird. Mein Mann möchte sich in seiner Freiheit nicht beschränken lassen.Was kann ich tun, wenn die Ärzte nicht reagieren?

Mamamaus

Hallo, mein Mann hatte das auch sowohl bevor der Tumor festgestellt wurde und auch nach der OP. Ich habe damals mit den Ärzten gesprochen und sie haben sofort gehandelt. Er war eine Gefahr für sich und für unsere Kinder. Sie haben ihn sofort stationär aufgenommen über die Zeit der Bestrahlung. In dieser Zeit wurde er eingestellt auf Antipsychotika und Valproinsäure. Danach war er noch vier Wochen in Reha. Bis er heim kam hat das alles gut angeschlagen und er war wieder ganz zahm. Mir wurde in dem Zug auch gleich einen Kontakt zu einem Psychoonkologen hergestellt.

Ich finde es eine Unverschämtheit dass der Arzt das nicht ernst nimmt. Bitte sage nochmal wie schlimm es für Dich ist und wie er sich und andere durch sein Verhalten gefährdet. Da darf keiner einfach so zuschauen. Ich war echt froh dass ich so ernst genommen wurde. Mein Mann hat auch als er erfahren hat dass ich mit dem Arzt gesprochen habe mich angebrüllt, geschrien vor dem Kind dass er sich gleich von der Brücke stürzen kann usw. es war schrecklich.

LG Mamamaus

Prof. Mursch

Eine Möglichkeit wäre, sich wegen der Gefähdung einmal mit dem Amtsarzt im Gesundheitsamt zu besprechen.

Prof. Dr. med. Kay Mursch
Neurochirurg
Zentralklinik Bad Berka

schorsch

Hallo, zusätzlich zum Hinweis von Prof. Mursch noch folgende Ergänzung. In jedem Bundesland gibt es Beratungsstellen für pflegende Angehörige. Sicherlich auch in SH; Kiel oder Lübeck. Die UK Kiel hatte jedenfalls (früher) eine psychologische Begleitung für Angehörige, die bei Wunsch angeboten und in Anspruch genommern werden konnte und weitere Möglichkeiten aufzeigte. Bei Problemen die durch die HT Erkrankung auftreten können z.B. Wesensveränderungen), geht es immer darum, dass Problem zu erkennen und geeignete und akzeptable Lösungsvorschläge für beide Seiten (und für den derzeitigen Moment) zu unterbreiten; dazu könnte auch die Frage der Geschäftsfähigkeit Deines Mannes gehören. Eine schwierige Situation! Hole Dir mehr Information zu diesen Thema der Begleitung und Pflege schwer kranker Menschen an geeigneter Stelle. Ärzte sind für mich bei diesem Thema nicht die primären Ansprechpartner. Um eine Entlastung für Dich zu erreichen, kann eine psychotherapeutische Hilfe sinnvoll sein. Viele Angehörige haben darüber schon hier im Forum berichtet. Wenn Dein Mann derzeitig nicht für Hilfsangebote von Aussen zugänglich ist, sorge nur für Dich; um den Druck auszuhalten und eine Strategie zu entwickeln! Viel Erfolg. LG

Wasa

Das ist ja furchtbar, das kann ja keiner alleine aushalten.

Mein Mann ist noch stationär Bestrahlung und Chemo. Da ich mich hier im Forum schon durchgelesen habe, habe ich einen kleinen Einblick was auf mich zukommt.

Ich bereite mich auf das Grauen vor und habe schon einige Stellen kontaktiert und muss sagen, überall wo ich bisher war, einschließlich Hausarzt, wurde mir herzlich und freundlich geholfen mit Rat und Tat.

Wie es natürlich aussieht, wenn das finanzielle ins Spiel kommt, das kann ich noch nicht sagen, bereite mich aber schon darauf vor, dass ich dann noch mehr Kraft brauche.

Mamamuhki

"Es ist, als wäre der Bereich der Vernunft im Gehirn nicht mehr vorhanden. Ich habe die Neurochirurgen gefragt, sie sagten, das wäre Quatsch".


Liebe estrella44
Solch eine Aussage von Neurochirurgen (die normalerweise über die Funktionsweise der einzelnen Hirnregionen Bescheid wissen sollten) macht mich wütend und sprachlos. Andererseits habe ich feststellen müssen, dass die Chirurgen hauptsächlich die "Handwerker" sind, zuständig für die Präzisionsarbeit im Gehirn. Für die Folgen und Komplikationen sind es die Neurologen und die Neuropsychotherapeuten.
Es kommt ja auch immer darauf an, in welchem Bereich des Gehirns ein Tumor gewachsen ist und wie groß er war.
Ich hatte einen sehr großen Tumor im Frontalhirn ( =zuständig für Denken, Handeln, Emotionen, Persönlichkeit) und ich und meine Angehörigen mussten sich dann mit einem "Frontalhirnsyndrom" und einer schwierigen Wesensveränderung auseinandersetzen. Glücklicherweise hat mein Neurochirurg meinen Mann darüber genau aufgeklärt.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Logisches Denken und Handeln, Vernunft - war nicht möglich! Achterbahnfahrten meiner Emotionen mit Aggressionen........da war alles dabei! Ich selbst habe mich kurioserweise für gesund gehalten und wollte kein "Nein" akzeptieren.
Es war eine schwierige Zeit aber es geht Schritt für Schritt voran.
Nachdem ich wieder reflektieren konnte, habe ich nach Antworten gesucht, warum ich so getickt habe.

Dir und deinem Mann wünsche ich von ganzem Herzen das Beste, dass ihr die Hilfe bekommt, die ihr braucht und kompetente und empathische Menschen findet, die euch durch diese schwere Zeit helfen.

Bete für euch
Cordula

Harry1962

Hallo estrella44,

Neurochirurgen müssten es durch aus wissen, dass es zur einer Wesensveränderung nach der OP kommen kann, positiv oder negativ.
Nach meiner OP, hat mich niemand wieder erkannt, ich war ein Mensch mit einer positiven Ausstrahlung. Gibt es nicht in Deiner Nähe eine Hirntumor Selbsthilfegruppe, sie kann Dich in allen Angelegenheiten unterstützen. Bin selbst Leiter einer Hirntumor Selbsthilfegruppe und helfe allen Mitgliedern.
Viele Grüße
Harry

Jasse

Hallo Miteinander,
zur Zeit ist es mit meiner Mama auch ganz schlimm. Sie ist aggressiv und beleidigt uns. Egal, was ich sage, alles ist falsch und ich werde aufs übelste beschimpft. Ich verstehe ihren Frust ja auch. Sie musste leider vor 2 Tagen wieder stationär ins Klinikum, weil sich ihr Zustand verschlechtert hat. Schwäche, Kreislaufkollaps. Das hatten wir schon mal Anfang Dezember. Mir scheint so, dass das Cortison ausschleichen nicht so richtig klappt, war Anfang Dez. ähnlich. Durch Bestrahlung und Chemo sind eigentlich einige Metastasen zurückgegangen. Leider sind die Leberwerte stark erhöht, wodurch die Chemo erstmal nicht weitergehen kann und eigentlich sollte sie auch vor 2 Tagen auf Reha. Diese muss leider auch verschoben werden. In unserem Klinikum fühlen wir uns auch nicht gut aufgeklärt. Es werden einfach Pillen verteilt und sie weiß gar nicht warum sie das bekommt. Keiner weiß genau, warum ihre Leberwerte so stark erhöht sind. Niemand hat Zeit. Das frustiert mich auch. Ich habe sie einige male darauf angesprochen, ob sie nicht einmal mit einem Psychoonkologen sprechen will, aber das lehnt sie strikt ab. Ein Aufklärungsgespräch über ihren Gesundheitszustand will sie auch nicht mehr. Sie will mit keinem Arzt mehr sprechen sagt sie. Bevor das alles war haben wir schon ab und an so aggressives Verhalten bemerkt. Aber seitdem sie wieder im Klinikum ist dreht sie total durch. Das macht mich echt traurig. Musste jetzt auch einfach mal meinen Frust loswerden :-(
Hoffe, dass sie bald auf Reha kann, und sich da was tut.
LG Jasse

Andrea 1

Liebe Mamamuhki,
mir ging es genauso Anfangs. Mangelnde Konzentration bringt ein Frontalhirnsyndrom/Schädelhirntrauma scheinbar mit sich.
Also auch dadurch, dass man sein Taktgefühl nicht mehr unter Kontrolle hat, bzw. gar keines mehr besitzt und dann brechen die Emotionen entsprechend aus einem raus.
Ich vermute mal, je temperamentvoller, desto heftiger, was nicht nur positiv oder negativ zu betrachten ist.
Was man vorher in hübsche Worte kleidete, kann man dann nicht mehr unterdrücken oder "schlucken". Es muss raus sonst hat man das Gefühl innerlich zu platzen. So fühlte ich mich damals in meinem Gefühlschaos, aber ich glaube darüber hatten wir uns schon vor ein oder zwei Jahren (klingt das nicht super?!? ;-) ) geschrieben.
LG Andrea

***

Hallo Jasse,
es gibt sehr viele Menschen/Patienten, die nur vom Hören eines Psychologen schon auf Durchzug schalten, weil sie sich als nicht verrückt oder bescheuert ansehen [und es ja auch nicht sind]!
Nur, wenige wissen, dass man nicht blöd oder dumm sein muss, um eine psychologische Betreuung als wertvoll anzusehen.
Vielleicht wäre es für deine Mama hilfreich, wenn das kleine Wörtchen "Psycho" vorab weglässt. Einfach zu ihr sagen, dass mit ihr gerne ein Onkologe sprechen möchte, der sehr gut auf solche Erkrankungen spezialisiert ist, sich sehr gut in sie hineinversetzen kann, dir der Arzt wärmstens empfohlen wurde. Vielleicht ist sie durch den Begriff "Psycho" so erschrocken. Die Aufgabe des Psychoonkologen sollte allerdings dann darin bestehen, dass er es ihr schonend beibringt, was er tatsächlich ist und er nicht auc mit der Tür ins Haus fällt. Weiß ein Psychoonkologe vorab über die Einstellung Bescheid, kann er entsprechend vorgehen, ohne deine Mama belügen zu müssen. Er wird seine Wege haben.
Viel Glück, dass es mit der Reha bald schon klappt.
LG Andrea

Jasse

Hallo Andrea,
danke. Ja da hast du wohl recht. So habe ich das noch gar nicht gesehen, weil ich da persönlich gar keine Vorurteile habe. Leider ist sie auf den "Begriff" Onkologe zur Zeit auch nicht gut zu sprechen. Aber vielleicht fällt mir da noch was ein. Ansonsten hoffe ich, dass in der Reha vielleicht automatisch einfach mal jemand bei ihr vorbeischaut, um mit ihr mal zu reden.
LG Jasmin

Andrea 1

Nicht, dass sich jemand wundert, ich habe in meinem vorhergehenden Posting noch etwas hinzugefügt. Siehe eckige Klammern. (Um Missverständnisse auszuschließen.
Liebe Jasmin,
das kann durchaus passieren, dass deine Mama in der Reha gefragt wird, ob sie eine psychologische Betreuung wünscht und diese dann ablehnt.
Ich meine, dass man mich des öfteren in Kliniken und Rehas danach fragte und ich war auch so drauf, dass ich mir früher auf diese Weise nie helfen lassen wollte.
...bis nichts mehr ging.
Als ich dann auch noch mit dem Hirntumor zu tun bekam, war es aber für mich bereits selbstverständlich, dass ich mir zusätzlich Unterstützung suche.
Merkwürdig, ich erinnere mich gar nicht mehr - kann auch an mir liegen - ob ich damals gefragt wurde, ob ich einen Psychologen sprechen möchte.
Sehr viel später gab es solche Fragen in div. Fragebögen, die man von der Uniklinik aus freiwillig ausfüllen konnte.

(Ich nehme seither immer an Klinikumfragen teil, weil sich nur so etwas verändern kann. Sagt man nicht, dann denken Ärzte und Klinikleitun fälschlicher Weise an, dass alles in Ordnung sei.) LG A....

estrella44

Vielen Dank für die Anregungen. Ich werde mich dann - wenn die Ärzte nicht helfen - mit dem Sozialpsychiatrischem Dienst bzw. mit dem Amtsarzt besprechen. Ich bin mit meiner Kraft am Ende!

liisa

Schriftlich die involvierten Ärzte informieren, dass du für diese Situation keine Verantwortung mehr übernimmst!
Und den Ärzten mitteilen , dass Kopie des Schreibens bei der Polizei abgegeben wird.
Dann geht das mit den Medikamenten flott.
Bei dieser Diagnose würde bei einem Unfall keine Versicherung Zahlen, insofern musst du dich da exkulpieren.
Liisa

Star

Auch ich habe ähnliches erlebt. ich hatte 3 Kinder, ein Stillkind von einem Jahr und als mein Mann sich ca. 14 Tage nach Beginn der Bestrahlung dermaßen veränderte, wußte ich weder ein noch aus. ich hatte wenigstens einen Hausarzt, der ihn 1 Stunde bei uns zuhause überreden wollte in eine psychiatrische Klinik zu gehen, er hätte ihn selbst dorthin gefahren. Mein Mann war auch uneinsichtig ,wollte sich nicht helfen lassen, setzte sich immer wieder ans Steuer. Brüllte den ganzen Tag mich und meine Kinder an und als ich Neurochirurgen, Röntgenologen und Onkologen durchhatte hieß es immer, sie verstehen das nicht, da er bei Ihnen sanft wie ein Lämmchen war.Ich soll nicht alles auf die Waagschale legen, was er so zu mir sagt.
Ich hatte manchmal solche Angst und keiner wollte mir helfen. Die rechtliche Lage ist leider wirklich furchtbar. ich bin zum Amtsarzt durchgedrungen, weil man auch mir das empfahl, doch auch dort bekam ich die Auskunft,wenn mein Mann als Patient nicht will, keine Beruhigungsmedikamente, keine Psychopharmaka,keine Psychotherapie, man kann ihn nicht zwingen. Erst wenn er was angestellt hat und in eine psychiatrische Klinik zwangseingewiesen wird, da stellte er aber schon eine Gefahr dar kann man ihn zwangstherapieren.
Das einzige was ich dir raten kann, ist für Stabilität zu sorgen, dass er sich wohlfühlt. Ihn immer wieder zu fragen, was tut dir gut, was möchtest du jetzt.Gute Freunde, Bekannte einladen, dass was er früher gerne gemacht hat. Was gutes kochen... dich ablenken und dir eine Auszeit gönnen, Hilfe in Anspruch nehmen. Das wichtigste ist, dass du ausgeglichen und stabil bleibst, denn diese äußerst gefährliche Situation mit so einem psychisch kranken Menschen wird oft nur belächelt.

Als mein mann die Reha abgebrochen hat, bekam ich extra einen Anruf von der behandelten Ärztin, dass er unkontrolliertes, gefährliches Verhalten an den Tag legt und ich in einer gefährlichen Situation oder wenn er gewalttätig wird den psychosozialen Dienst anrufen soll bzw die Polizei. Sie könne aber nichts für ihn tun, wenn er sich nicht behandeln lassen will.

Eigentlich eine Zumutung wie man vom Gesundheitssystem allein gelassen wird und wie die Gesetzte ausgelegt sind.

Also Kopf hoch und hol dir Hilfe wo und wann es nur geht.Vielleicht kann man deinem Mann überzeugen, dass er Hilfe braucht. Vielleicht suchst du einen Hausarzt der mit der Krankheit vertraut ist und dich voll unterstützt. Ich glaub auch eines der Hauptprobleme ist, dass viele Ärzte nicht wissen, wie man mit solch Patienten umgehen soll. Meiner Meinung müsste jeder verantwortungsvolle Arzt die Situation zuhause mit Frau und Kindern entschärfen und helfen und nicht sagen "ich kann nichts tun, sie müssen dass halt aushalten".

Es ist schon schwer genug mit eine der schlimmsten Krankheiten leben zu müssen. Als Patient wie als Angehöriger. Man muss aber Lösungen auch für die Angehörigen finden, denn sie können sich nicht von früh bis spät demütigen lassen. Sie bleiben mit all der Erinnerung, dem Erlebten, der Wandlung eines geliebten Menschen zurück und müssen damit fertig werden und bedürfen einer besonderen Hilfe und Unterstützung während des gesamten Krankheitsverlaufes.Das kann man ruhig so den Ärzten weitergeben.

Angehörige

Liebe Estrella,
Eigentlich wurde in den Beiträgen schon alles gesagt und leider ist es so, dass wir mit einer schrecklichen Krankheit konfrontiert sind, und nicht nur alleingelassen werden, sondern auch noch eins drauf kriegen und gegen Windmühlen kämpfen müssen. Aggressivität und Wesensveränderung gehören zum Krankheitsbild und leider ist es so, dass die nächsten Angehörigen das Ganze abkriegen.
Aber es gibt sehr viele menschliche und auch kompetente Ärzte, Sozialdienste, Hospiz- oder Palliativdienste (nicht von den Namen schrecken lassen), man muss sie nur finden. Aber alle größeren Tumorzentren haben entsprechende Adresslisten. Und du brauchst unbedingt die richtigen Leute um dich rum.
Aber du kannst die Situation nur gemeinsam mit deinem Mann etwas leichter machen. Gibt es denn nicht einen Freund, der zu ihm durchdringen könnte? Selbstverständlich lässt man seinen Partner in so einer Situation nicht allein, aber es muss schon auch klar sein, dass es Grenzen gibt. Mein Mann führt sich manchmal horrormäßig auf und ich könnte nur noch mit dem Kopf gegen die Wand schlagen, aber er siehts dann ein, dass irgendwas schief lief. Es passiert dann zwar wieder, aber allein diese Einsicht hilft mir sehr und macht mir deutlich, dass auch dies zu der Krankheit gehört.
Als Angehöriger ist man halt am nächsten dran, der Betroffene ist ausgeliefert, schlittert immer mehr in eine vollständige Abhängigkeit hinein und verliert gleichzeitig nach und nach über alles die Kontrolle. Man kann auch niemanden die Schuld geben, sondern muss mit dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit selber fertig werden ... Dass dann der Partner die berechtigte Aggression abkriegt, ist verständlich, aber natürlich damit nicht entschuldigt.
Ich wünsche dir alles Gute, und auch wenn es deine Situation nicht einfacher macht, viele in diesem Forum können deine Not nachempfinden. Ich denke, es ist sehr wichtig, sich gute Momente zu schaffen - am besten gemeinsam.
Liebe Grüße
Angehörige

Petty

Liebe Estrella, liebe Jasse,

ich berichte hier leider als Tochter, die ihren Papa vor zwei Wochen verloren hat - nach nicht einmal einem Jahr Diagnose.
...Aber, umso öfter reflektiere ich die letzten Monate - denn währenddessen hat man keine Zeit. Denn nach dem unsere Mama gestorben ist vor 2 1/2 Jahren, haben wir drei Geschwister (mit Partnern) unser Bestes für ihn gegeben.

Nachdem die behandelnden Ärzte uns wirklich keine große Hilfe waren und uns nie auf das vorbereitet haben, was uns erwartete, mussten wir uns selbst drum kümmern. Alle körperlichen "Einbußen" die erst nach gut 10 monaten, aber dann sehr plötzlich von Tag zu Tag schlimmer wurden, schafften wir irgendwie zu managen. Den total veränderten Charakter unseres Papas, der von ruhig und vergesslich zu total unruhig und gar nicht mehr wahrnehmend wo und in welchem zustand er ist wechselte, war hart zu verstehen. Auch für ihn, wenn dann wieder ein klarer Gedanke kam. Eine Wesensveränderung - in welche Richtung auch immer- ist wohl bei jedem zu sehen.

Was wir getan haben: Das Palliativ war SUPER - hat uns sehr geholfen. Ich habe mich mit Demenz und ähnlichem beschäftigt (praktisch angeleitetes Buch, Bekannte gefragt, die mit Demenzkranken arbeiten). Dies in die Praxis umzusetzen ist natürlich was anderes, aber die Ratschläge haben viel Verständnis für ihn gebracht und auch sehr oft geholfen, seine Vorstellungen (wo er ist, was er anscheinend gerade macht, wer alles da ist...) zu verstehen.

Also was wir gelernt haben,. Man braucht Geduld - das ist hart im Alltag mit Arbeit, Kindern usw. - aber wenn man sich 10 Minuten effektive Zeit nimmt, ein Gespräch zu ordnen, kommt man selbst runter und es hilft womöglich der Person aus der Verwirrtheit.
Nur klarzustellen, dass das nicht wahr ist, was er/sie sagt bringt dich höchstens ans Ende deiner Nerven. Anscheinend sind unsere Lieben in einer anderen Welt, keine Ahnung wie das funktioniert - ich habe so oft versucht zu verstehen, warum er etwa glaubt er ist grad auf einem sinkenden Schiff, in einem Labor, am Kriegsschauplatz. etc. So probierten wir ins Gespräch einzusteigen mit "... auf welchem Schiff? ... wer ist noch da? ... was machst du dort?..warum willst du dorthin / dort weg?.." das hat nicht immer, aber oft funktioniert, wieder in einen ruhigen Zustand zu kommen.

Aber klar, die Nerven haben auch wir öfter mal weggeschmissen. Schreien, heulen, die Tür werfen. Muss halt auch sein.

Denkt immer daran, dass das nicht euer Mann, eure Mama ist, sondern wirklich dieser besch.... Tumor. Denn wir alle wissen, wie unsere Liebsten tatsächlich sind. Schaut euch alte Fotos an, erinnert euch, zeigt sie auch ihnen bzw. erzählt ihnen davon. Fragt nach Geschichten, die schon lange her sind .."was der schönste urlaub war ... was hast du am liebsten gemacht bei deiner arbeit (insofern die arbeit eine freude war..)

sein herz hat uns der papa auch nicht ausgeschüttet. nur manchen freunden gegenüber konnte er nach langer zeit (nach 9 monaten!)sich mal öffnen. als er schwächer wurde, hat er mit dem pfarrer gern gesprochen. das hat er auch gesagt dann als es so war.

versucht -und ich weiß es ist oft schwer - euch wirklich etwas zeit zu nehmen. setzt euch, vielleicht auch mal mit freunden, denn wenn mehr leute sind, ist es oft leichter, zu ihnen. fragt nicht warum und sagt nicht, das geht nicht. versucht wirklich auf sie einzugehen, selbst aus eurer welt aus- und in ihre einzusteigen. denn sie haben keine möglichkeit, diese gewillt zu verlassen. ihr könnt sie nur an der hand nehmen und wenn es ein guter moment ist, auch leiten.
gebt ihnen ein gefühl der sicherheit und dass sie nicht allein sind. UND nehmt euch auch mal zeit für euch selbst. wenn es nur 20 minuten am tag sind, kurz mal an die frischluft, nichts denken, um nichts kümmern.

ich wünsche euch wirklich alles liebe und viel viel kraft!!! fangt die guten momente ein. lasst euch helfen, es gibt diese guten leute in eurer umgebung, die euch gerne unterstützen wollen. oft ist man überrascht.

eure Petty

Aziraphale

So wie ich das sehe, betreffen die Auswirkungen der Wesensveränderungen vor Allem die nächsten Angehörigen, die Menschen, die den Betroffenen am meisten lieben. Scheinbar ist die Kontrolle über die Handlungen, Worte usw. hier am ersten weg (eine Vermutung meinerseits wenn ich lese, dass sich die Betroffenen Ärzten gegenüber oft anders verhalten).

Es ist natürlich schwer, einen geliebten Menschen zwangseinweisen zu lassen und nur eine Zwangseinweisung würde wohl in Frage kommen (da ein Arzt ja sonst nichts gegen den Willen des Patienten tun darf). Verständlicherweise fürchten sich viele (ich würde sogar sagen alle) vor so einem Schritt, die Angst, damit den allergrößten Fehler zu machen, den geliebten Menschen mit seiner Krankheit alleine zu lassen.

Ich bin nun in der glücklichen Lage, dass der Tumor bei meinem Mann keine derartigen emotionalen Veränderungen hervorgerufen hat. Eher das Gegenteil, er vertraut völlig auf mich und meine Entscheidungen, dass er nicht mehr Auto fahren darf ist für ihn zwar unschön, aber er akzeptiert das. Da wir am A.. der Welt wohnen, 50km weg von seinen Freunden ist das schon ein wirklich großer Verlust.

Sollte sich das aber irgendwann ändern, sollte er aggressiv werden, so sehr, dass Handgreiflichkeiten nicht auszuschließen wären, würde ich aber vermutlich trotzdem den Weg der Zwangseinweisung gehen. Nicht, um mich zu schützen. Es ist die Sorge um unser Kind, der Schaden, der hier angerichtet werden kann, ist durch nichts mehr zu reparieren.

Wasa

Danke petty, ein schöner Bericht.

Ich bereite mich auch auf alles vor. Ende Januar kommt mein Mann nach Hause nach 30 Bestrahlungen und Chemo. Keiner kann mir sagen was mich erwartet. Die Wochenenden lassen mich schon ahnen, was kommt.

Ich nehme schon Kontakt zum Pflegedienst auf, dass ich dann nur noch rufen brauch, wenn es so weit ist. Auch bin ich bereit viel zu geben, aber wenn es meine Kräfte übersteigt muss ich mir Hilfe holen. Darum wähle ich einen Pflegedienst,, der auch Betten hat. Kurzzeitplege könnte man ja dann in Anspruch nehmen um sich zu regenerieren und dann sieht man jawie es läuft.

Ich liebe meinen Mann sehr, habe auch Angst mal alleine zu sein, aber ich bin keine Krankenschwester. Das ist eine Berufung und die habe ich nicht. Mein Mann hat mehr von mir, wenn ich ihn dann jeden Tag besuche, wenn es ganz schlimm wird und relativ ausgeglichen bin, wieweit das möglich ist, als wenn ich als Nervenbündel kopflos unausgeschlafen, grillig durch die Kannte renne.

Das hab ich für mich entschieden und sollte es mir einer übel nehmen, kann ich es auch nicht ändern.
Ob ich es dann mache, steht auch auf einen anderen Blatt, aber ich habe ertmal meine Strategie und die hilft mir jetzt die Situation zu meistern.

Alles Liebe für euch alle!

Petty

Liebe Wasa, das ist ein guter Plan und du hast vollkommen recht - wichtiger ist es, für ihn da zu sein & das kannst du nur wenn es dir - den Umständen entsprechend - gut geht.

Wir hatten ja auch ein Pflegebett geliehen(ein schönes aus Holz, das keinen Krankenhaus-Charme verbreitet), einen Rollstuhl und Leibstuhl. Haben das Zimmer schön mit Fotos von ihm mit unserer Mama eingerichtet, Duftöle auf die Kerze gegeben wenn er den ganzen Tag nicht aus dem Bett ist und, weil es ihm früher so gefiel, Peter Alexander und so alte Entertainer leise im Hintergrund laufen lassen.

Für den Abend dann was Beruhigerendes, das Palliativteam gab uns eine Salbe, die seine Gelenk- und Muskelschmerzen vom Liegen lindern soll. Die haben wir dann abends schön einmassiert.
Weil er sehr gesellig war, haben wir versucht mit ihm so viel wie möglich zu unternehmen bzw. ihn, auch wenn er schwach war, zur Mittags- und Abendjause zu uns an den Tisch zu setzen.

Wenn es nicht ging, haben wir halt unsere Jause zu ihm ins Zimmer verlegt. Seine Tür war auch immer einen Spalt offen, damit er unsere Stimmen hören kann.

Es kam die letzten Wochen auch viel Besuch, aber da mussten wir anfangs auf die Leute, auch Freunde zugehen, die nicht wussten, wie die Situation ist und wie damit umzugehen. Für manche war der 1. Besuch schwer, aber sie probierten es dann nochmal, auf die Lage eingestellt. Das war sehr schön für uns, für Papa und vor allem auch jetzt hinterher haben alle gesagt, sie waren froh, noch die letzten Wochen und Tage genutzt zu haben!

Und da, liebe Wasa, hast du dann vielleicht auch die Möglichkeit etwas zu entspannen, wenn Freunde da sind.

Ich wünsch dir alles alles Gute!!

Joanna

Liebe Wasa, ja, ich finde auch: das ist ein guter Plan. Du weißt, was du leisten kannst und was nicht, das ist ganz, ganz viel.
Liebe Grüße, Joanne

Wasa

Petty, mein herzliches Beileid noch, so lange ist es ja noch nicht her.

Ja, ich muss einen Plan haben, zumindest für mich, sonst werde ich verrückt. Diese ganze Ungewissheit macht mich wahnsinnig.

Dieses Wochenende ist bis jetzt sehr entspannt. Ich hoffe und wünsche und denke die Strahlen haben schon ganz viel kaputt gemacht. Die Bewegungen sind diese Woche viel fließender als in den letzten Wochen. Bin sehr erfreut.

Ich habe gerade einen großen Energieschub, davon gebe ich euch gerne ab!

Liebe Grüße Sabine

estrella44

Hallo, erst einmal vielen Dank für die zahlreichen Antworten. Mein Mann wird jetzt von Keppra auf Valprionsäure umgestellt. Die Umstellung sollte eigentlich wegen seiner Aggressivität im Krankenhaus genacht werden. Mein Mann hat sich nach nur 4 Tagen Aufenthalt dort selbst entlassen und auch allle weiteren Untersuchungen, die dort erfolgen sollten, abgelehnt. Die Ärzte sagten mir, er dürfe gehen, wenn er will. Das Selbstbestimmungsrecht ist in Deutschland sehr hoch bemessen ( was ja auch gut ist ), nur frage ich mich, ob man einen Patienten mit einer hirnorganischen Störung und Wesensveränderungen einem Patienten ohne diese Probleme gleich setzen kann. Ich habe bereits den Sozial-Psychiatrischen Dienst eingeschaltet. Dort wurde mir gesagt, dass noch viel mehr passieren muss, bevor mein Mann gegen seinen Willen ins Krankenhaus eingeliefert werden kann. Ich möchte aber nicht, dass noch mehr passiert...Ich bin sehr traurig und weine viel ( trotz psychologischer Unterstützung). Ich weiß oft nicht, wie es weitergehen soll... Viele Grüße estrella44

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