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Thema: Wesensverändeurng durch Glioblastom

Wesensverändeurng durch Glioblastom
alex90
10.08.2018 18:44:09
Hallo zusammen,

bei meinem Vater (58 Jahre) wurde im April nach einem epileptischen Anfall ein Gehirntumor diagnostiziert. Nach Teilresektion stellte sich durch den pathologischen Befund heraus, dass es sich um ein Glioblastom Grad IV handelt.

Mittlerweile hat er sechs Wochen Chemo und parallel Bestrahlung hinter sich.

Eine Wesensveränderung war schon ab dem epileptischen Anfall gegeben, allerdings begann er in den letzten beiden Wochen Kleiderschränke auszuräumen, die Wäsche nasszumachen, aus dem Fenster zu werfen usw...

Hat jemand von Euch ähnliche Erfahrungen gemacht?
Falls ja, haben sich diese Verhaltensänderungen/starken Wesensveränderungen wieder gebessert? Evtl. handelt es sich ja um Nebenwirkungen der Bestrahlung und/oder Chemo.
alex90
Tulip
10.08.2018 22:16:35
Nicht in der Form, aber eine Veränderung habe ich zumindest schon wahrgenommen. Es gibt aber auch Phasen, da blitzt der „alte“, so vertraute liebe Mensch wieder durch, und selbst das kann schmerzhaft sein, weil es so trügerisch ist. Das ist ein sehr sehr harter Weg auch für die Angehörigen, denn in manchen Teilen bedeutet es Abschied schon in einer Zeit, in der man sich noch hat.
Tulip
Mamamaus
11.08.2018 08:42:50
Hallo. Bei uns leider auch. Mein Mann war vor Diagnose wie ausgewechselt. Nach Op hat sich alles wieder normalisiert. Nun wurde er dreimal operiert und diesmal ist es nicht mehr operabel. Er verändert sich von Tag zu Tag und selber sieht er die Veränderung gar nicht. Habe total Angst was da noch auf mich und die Kinder zukommt.

Lg Mamamaus
Mamamaus
Tulip
11.08.2018 08:46:21
Habt Ihr das mit den behandelnden Ärzten besprochen?
Tulip
LaPalma
12.08.2018 17:08:08
Tulip hat sehr genau auch meine Erfahrung zusammen gefasst. Manchmal denke ich, das Schlimmste in der Situation: mein Mann ist nicht mehr da, er ist (noch teilweise!) ein Fremder. DAS macht mich fertig. An manchen Tagen kann ich ihn nicht ansehen ohne an diesen Abschied zu denken. Aber ich bin eine von Euch, nicht die einzige...
LaPalma
Holunder
15.08.2018 06:37:59
Hallo,
ich kann dir meine Erfahrung der Veränderung meines Mannes schildern, zum einen vor der OP, zum anderen circa 1 Monat vor seinem Tod : Vor der OP stellte er meinen getätigten Einkauf ins Bad und in andere Ecken des Hauses, anstatt in die Küche, er liess im gesamten Haus ständig Licht an, legte sich quer anstatt längs ins Bett (er war 1,86 m - Beine wie im sitzen....), vergass den Hund im Garten und war z.T. sehr aggressiv, was absolut nie ein Charakterzug von ihm gewesen war. Er war manchmal richtig bösartig, aber nur mir gegenüber. Nach der OP war er wieder der alte vom Verhalten her. Die letzte Zeit vor seinem Ableben legte er die Müllbeutel in den Eisschrank, setzte sich nicht an seinen gedeckten Platz, sondern zwei Plätze weiter, klaute den anderen das Essen vom Teller, zog sich verkehrtrum an, wollte die Shorts als Mütze benutzen und viele andere seltsame Dinge. Allerdings war er in der Phase super süß und extrem liebevoll, fast manchmal kindlich, einfach nur zum drücken und liebhaben. Diese Veränderungen waren für mich und meine Söhne tragisch, es hat das Wissen, dass der Tumor am gewinnen war, nur noch mehr verstärkt. Das gaz klare Gefühl, dass der lang geliebte Mann zwar körperlich da war, aber in Wirklichkeit schon längst gegangen war, hat mir oft die Tränen in die Augen getrieben, es ist einer der schlimmsten und grausamsten Aspekte der Krankheit für die Angehörigen. Mein Mann selbst war sich seiner kuriosen Taten nie bewusst.Er fand es immer unverständlich, was wir daran so "anders"und komisch fanden.
Wünsche dir alles liebe, wertschätzte jede Minute mit ihm, und gib ihm immer dein Lächeln und deine Fürsorge.
Holunder
Tulip
15.08.2018 07:44:42
Ich habe schon mehrfach im Forum von aggressivem Verhalten gelesen, und erinnere auch die Selbstverletzung eines Betroffenen, die hier einmal geschildert wurde.
Ist das mitunter verbunden mit Sorge vor körperlichen Attacken auch gegen Euch oder spielt sich das rein verbal ab?
Tulip
LaPalma
15.08.2018 16:34:20
Wir haben überhaupt keine Phase, dass ich sagen könnte "mein Mann ist wie früher". Direkt nach OP war ganz schlimm, mit Verfolgungswahn und Flucht-Versuchen (wurde auf der nächsten Haltestelle gefunden). Nach einer Woche beruhigt, aber nie wieder "der alte". Heute (3 Mon. nach OP) sollten wir eigentlich mit dem 1.Chemo (von 6 Zyklen) anfangen, die Blutwerte und sein Zustand lassen das aber nicht. MRT-Kontrolle wird vorgeschoben. Ich habe ganz mulmiges Gefühl.
LaPalma
Tulip
15.08.2018 17:20:35
Bei meinem Mann waren die Blutwerte auch sehr schlecht, so dass er den 1. Zyklus nicht beginnen konnte und seit 3 Monaten ohne Therapie ist.
Habe Deinen anderen Beitrag gerade gelesen. Hat sich eine gute Lösung der Betreuung gefunden? Und wie hat es sich mit dem Kortison entwickelt? Kannst Du noch arbeiten?
Ich muss im September wieder einsteigen, habe aber auch Angst vor allem, was noch kommt und dann ggf wieder pausieren zu müssen. Es ist mir unangenehm vor meinem Arbeitgeber, aber das Ding hat eben auch diesen Teil des Lebens in der Hand...
Tulip
Tulip
15.08.2018 17:21:02
@LaPalma: Wann habt Ihr das MRT?
Tulip
alex90
15.08.2018 20:20:26
Aggressives Verhalten hatten wir bisher nur ein- oder zweimal. Aber Aggressivität hatte mein Papafrüher nie.

Wir erleben im Moment, dass er viele klare Momente hat, in denen wir auch sehr erstaunt sind, was er noch alles weiß und mitbekommt. Andererseits stopft er Servietten ins Abflussrohr im Waschbecken, sodass das Wasser nicht mehr ablaufen kann usw.

Von meinem Gefühl her würde ich sagen, dass bei hoher Dexamethason-Dosis die seltsamen Verhaltensweisen "eingedämmt" werden und dass Papa mehr klare Momente/Phasen hat.

Einige Ärzte haben uns auch gesagt, dass diese seltsamen Verhaltensweisen Nebenwirkungen der Bestrahlung sein können. Aber genau sagen lässt sich das erst in ca. 4 Wochen, wenn sämtliche Schwellungen usw, die durch die Bestrahlung hervorgerufen wurden, abgeklungen sind. (Bestrahlung ist seit Ende letzter Woche fertig).

Bin auch sehr gespannt auf das MRT, das in 4 Wochen gemacht wird.
alex90
LaPalma
16.08.2018 08:41:02
@Tulip, vielen Dank für Nachfrage! Ich habe in "Allein zu Hause" paar Sätze geschrieben, kurz: etwas getan, Notwendigste erledigt, trotzdem mit der Situation unzufrieden und werde wahrscheinlich Teilzeit oder Pflegezeit bei meinem Arbeitgeber beantragen. Lasse mich heute beraten.

MRT ist am nächsten Donnerstag, 23.08.

Kortison: nach Absprache mit dem Arzt zuerst auf 3 x 2 mg erhöht, nach 4 Tage keine Verbesserung, jetzt wieder ausschleichen, langsam.

@alex90,
"...wenn sämtliche Schwellungen usw, die durch die Bestrahlung hervorgerufen wurden, abgeklungen sind".

Darauf haben wir auch gehofft. Dass es besser nach 4 Wochen wird - ist aber nicht geworden. Allerdings haben wir in der Zwischenzeit Augen-OP (Netzhautablösung), akute Thrombose => strenge Bettruhe => Muskelabbau, Sturzunfall.

@Holunder
genau, "zum drücken und liebhaben". Tragisch. Was er dabei fühlt und denkt?
Mit den "klaren" Phasen - ich denke, es hängt eher nicht mit der Zeit zusammen (jetzt klar im Kopf, in paar Stunden wieder nicht), sondern alles gleichzeitig: in einem Bereich noch klares Denken (bei meinem Mann - Musik z.B., er kennt sich prima aus!), in dem anderen - kompletter Ausfall (wie lange ist es von 7 bis 10 Uhr? Wann fängt die nächste Woche an? Kalender und Uhr sind nur Stressfaktoren).
LaPalma
CanadianGirl
18.08.2018 00:29:50
Hallo zusammen,

mein Papa (57) hat letztes Jahr die Diagnose Glioblastom erhalten. Seitdem ist es ein ewiges auf und ab. Der 1. Tumor konnte vollständig entfernt werden, kurz darauf fing er an den Rändern wieder zu wachsen an. Dann hat er wieder aufgehört zu wachsen, dann fing er wieder an - Ärzte haben davon abgeraten zu operieren. Hier schlug die Chemo dann an und er kleiner. Dann im Mai die Nachricht, wieder gewachsen und zusätzlich noch ein zweiter.
Den unteren, der neu gewachsen ist, konnten sie "problemlos" entfernen, den oberen haben sie "in Ruhe" gelassen, weil der ja auf die Chemo anschlug.
Der Zustand nach der OP war gar nicht gut.. Kreislauf total schlecht, verwirrt etc. Paar Tage nach der OP hatte mein Papa dann einen epileptischen Anfall, danach war der Zustand nochmal schlechter. Er durfte dann nach Hause unter strenger Beobachtung und viel Medikamenten, Zustand wurde allerdings nicht wie erwartet besser. 3 Wochen nach OP wieder MRT, da der Onkologe meinte, dass ihm das gar nicht gefällt.. Tumor ist wieder da. Der obere ist wieder gewachsen und der untere an den OP Rändern weitergewachsen. Machen jetzt mit der Chemo weiter, weil mein Papa nicht aufgeben will. Aber die Ärzte sagen halt, dass es jeden Tag zu Ausfällen kommen kann.. Oder Lähmungen..

Zur Wesensveränderung: vor der Diagnose, als wir meinen Papa ins Krankenhaus gefahren haben, hat er geweint, das hab ich noch nie erlebt. Mein Papa ist ein Mensch, der sein Leben lang gearbeitet hat, alles für jeden getan hat und selber immer zurückgesteckt hat. Er hat sozusagen nie Hilfe angenommen und auch nie danach gefragt (also beim Haus bauen z.b. natürlich schon.. Ich hoffe ihr versteht was ich meine..). Er hat immer alles in sich reingefressen und ist selten laut geworden. Er war halt dann beleidigt bzw nachtragend aber auch nie wirklich lange, weil er Streit nicht mag.
Nach der 1. OP im Juli 2017 war er teilweise leicht verändert. Er hat oft gesagt was ihn stört und ist öfter aggressiv geworden. Aber es war im Gegensatz zu jetzt nie soo schlimm.. Seit ein paar Monaten sind fast tägliche Gedanken "ich will meinen Papa zurück.".. Er ist desorientiert, aggressiv, verwirrt, weint oft bzw sehr leicht, lacht nicht mehr oft, wenn wir einen Witz machen oder Sticheleien auf die nette Art, nimmt er es gleich böse oder redet so "dann mach ich das halt selbst, lasst mir meine ruhe".. Sowas.. Er bezieht praktisch fast alles immer gleich auf sich.. Draußen ums Haus räumt er (Beispiel) den einen Tag die Papiertonne neben die Wäscheleine und den nächsten Tag neben die Garage.. Dann hat er mich gefragt wo denn die Papiertonne ist und hat alles unter der Wäscheleine gesammelt. Dadurch dass der Tumor am Sprachzentrum liegt, hat er ziemliche Probleme etwas zu sagen oder ihm fällt eine Person nicht ein, da wird er teilweise recht böse oder winkt dann von selbst ab.. Mittlerweile lässt er seine Wut und seinen Unmut auch raus, frisst das alles nicht mehr in sich rein. Beispielsweise ist meine Oma eine.. Sagen wir teilweise schwierige Persönlichkeit. Sie sagt halt oft Dinge, die für Menschen verletzend sind, das merkt sie aber nicht. Und mein Papa und ich sind halt einfach Personen denen so etwas unter die Haut geht und nicht abprallt. Früher war mein Papa dann eben angefressen und nachtragend, hat es aber nie so richtig raushängen lassen. Er hat halt einfach das nicht mehr gemacht, was sie gestört hat (wieder um es ihr recht zu machen.. Allen nur nicht ihm). Wenn jetzt so eine Situation ist, sagt er halt so Dinge wie zb, dass er nicht mehr zu ihr geht und dass sie ihm böses will und auslacht und sagt halt so richtig seine Meinung. Alles was er sich früher nur gedacht hat.
Es sind halt viel die Alltagssituationen oder kleine Dinge die die Wesensveränderung "sichtbar" macht, aber sie ist definitiv so stark, dass ich mir wie schon oben geschrieben, oft denke, dass ich meinen Papa zurück will. Der nicht fragt, ob er da stehen darf, sitzen darf, ob er das und das anziehen oder essen darf sondern einfach selbstständig ist und mit mir Späße macht..

Tut mir leid wenn das jetzt ein bisschen viel Text geworden ist, aber irgendwie ist es leichter all diese Gedanken loszuwerden bei Angehörigen bzw Personen die in der selben Situation sind..

Ich drücke euch alle ganz fest die Daumen!!
CanadianGirl
alex90
18.08.2018 18:15:08
@ CanadianGirl:
Mein Papa weint mittlerweile auch sehr schnell. Das ist ein Wesenszug, den ich so nicht von ihm kenne. Früher hat er wenig Gefühle gezeigt, war immer die Ruhe selbst, nie aggressiv o. ä.
Wenn wir ihn streicheln kommt von ihm mittlerweile keine Reaktion mehr. Aber ich denke, er spürt es, dass wir (Mama und ich) ihn streicheln.

Habt ihr Deinen Papa zu Hause?

Wir haben ihn seit letzter Woche in Kurzzeitpflege, da er - nachdem die Bestrahlung vorbei war - nicht länger stationär im Krankenhaus bleiben konnte und nach Hause ging auch nicht. Haben selbst die Ärzte davon abgeraten, auf Grund seiner Desorientiertheit und seinem Verhalten. Wie es nach der Kurzzeitpflege weitergeht ist noch völlig offen.
alex90
CanadianGirl
18.08.2018 18:37:56
@ alex90
Ja genau so war mein Papa auch.
Ich denke auch, dass er es noch spürt, auch wenn er es vielleicht nicht mehr zeigen kann. Geht es dir auch so, dass du auch weinen musst, wenn er weint? Ich kann das garnicht ab.

Meinem Papa geht es (Gott sei Dank) noch so weit gut, dass er auf streicheln reagiert. Und wir haben ihn auch zu Hause.
Als das letzte MRT gemacht wurde, haben sie ihn im Krankenhaus behalten, weil er dann schneller einen Termin bekommen hat aber nachdem die Diagnose war, meinte der Arzt wir sollen ihn abholen, weil es ihm zu Hause einfach von der Seele und Psyche her besser geht. Die Schwestern haben ihm auch nicht beim essen oder Tabletten nehmen geholfen und das ging halt alleine einfach nicht. Das Essen lag überall am Boden verteilt, er war komplett vollgesaut. Hat dann wieder geweint, weil er sich so schlecht gemacht hat, weil er das halt nicht mehr alleine kann, etc... Seit er Zuhause ist hat er wieder zugenommen, wir sind jetzt immer beim Essen dabei, ganz alleine geht's immer noch nicht, aber es ist auf jeden Fall schon besser geworden.
Es ist halt eine enorme Last, die auf uns liegt, aber wir könnten ihn, allein aus psychischen Gründen, gar nicht auf Kurzzeitpflege tun.
Er kann sich auch selbst duschen, beim Zähne braucht er ein bisschen Hilfe, aber alles in allem kommt er gut zurecht.

Habt ihr mal überlegt ob ihr euch eine Pflegekraft holt? Ich glaube ab einer gewissen Pflegestufe (beantragen, falls ihr das noch nicht habt) kriegt man da Zuschüsse.. Bin mir aber nicht sicher.
CanadianGirl
Tulip
18.08.2018 22:07:47
Ist es so, dass sie die Berührung nicht suchen oder eher vermeiden (wollen)?
Tulip
alex90
20.08.2018 19:58:17
@ CanadianGirl:
Mir tut es sehr weh, wenn ich Papa weinen sehe. Häufig weint er eigentlich ohne Grund. Er denkt und sagt (manchmal), dass er "Fehler gemacht hat" oder "Dinge falsch gemacht hat" - was zwar stimmt, aber er hat sie gemacht durch seine Krankheit, die Desorientiertehit usw... Wenn er nachts drei Mal das Bett abgezogen hatte, hatte er das z. B. gesagt.
Ich verdrücke meine Tränen häufig, spüre eher innerlich den Schmerz. Mir kommt es manchmal so vor, wie wenn es mir das Herz zerreißt.

Das Essen mussten wir ihm wieder beibringen. Mittlerweile kann er es wieder einigermaßen selbstständig. Aber man muss ihn anleiten, dass er sich zu Trinken einschenkt usw. Vor einigen Wochen war es noch so, dass er nicht wusste, wie er mit dem Messer die Butter auf das Brot bekommt.

Mama ist jeden Nachmittag und Abend im Pflegeheim und ist auch beim Abendessen dabei, sodass sie im ggf helfen kann und auch sieht, was er isst und trinkt und damit er seine Tabletten und Tropfen nimmt.

Einen Antrag auf Pflegestufe haben wir gestellt, wurde allerdings noch nicht bearbeitet. Pflegekraft zu Hause hat aber auch Vor- und Nachteile. Ich habe große Angst, dass meine Mama irgendwann einfach nicht mehr kann, wenn Papa zu Hause gepflegt werden würde. Selbst wenn wir eine Pflegekraft hätten - wenn Papa wieder jede Nacht mehrfach sein Bett abzieht und Schränke ausräumt, findet Mama auch keine Ruhe im Bett nebendran. Verstehst Du, was ich meine?

Papa hat verstanden, dass er zu Hause momentan nicht sein kann und akzeptiert die Kurzzeitpflege. Seiner Aussage nach gefällt es ihm und er empfindet es als bisher schönsten Ort (verglichen mit den diversen Stationen im Krankenhaus, in denen er war). Und da Mama täglich mehrere Stunden bei ihm ist und auch die restliche Familie (und ich) auch regelmäßig bei ihm zu Besuch sind, ist es wahrscheinlich nicht so schlimm für ihn.

@ Tulip:
Ich habe nicht den Eindruck, dass er Berührungen vermeidet.
Wir können uns zu ihm ins Bett legen, in den Arm nehmen, den Arm um ihn legen usw. aber er sitzt/liegt quasi regungslos da. Auf Streicheln reagiert er nicht und er erwidert solche Arten der nonverbalen Kommunikation nicht.
alex90
CanadianGirl
20.08.2018 23:33:40
@alex90

Das kann ich alles so gut nachvollziehen. Bei meinem Papa ist es 1:1 genau so. Mein Papa weint, wenn ich ihn wohin fahre und er sich dafür bedankt.. So was ganz einfaches..
Bei ihm ist es zwar nicht, dass er das Bett abzieht, aber er räumt halt, wie schon gesagt, draußen immer viel rum und aus seiner Sicht ist das auch richtig, auch wenn es falsch ist. Aber er kann halt einfach nichts dafür. Das ist nicht er, sondern der blöde Tumor.
Gestern Abend hat er sich gegen meine Oma gestellt und sich gegen sie "verschworen". Er hat schon irgendwo recht, ich weiß genau wie er sich fühlt, weil sie mich auch so behandelt. Aber er darf sich nicht ständig einreden, dass er ein schlechter Mensch ist und niemandem etwas wert ist und das alles was er getan hat umsonst war.. Er hat echt fast das ganze Wochenende geweint, weil er so fertig war, das hängt ihm echt nach.
Unterhaltet ihr euch noch mit deinem Papa? Wo saß/sitzt denn sein Tumor überhaupt wenn ich fragen darf?
Das Gefühl dass es einen innerlich zerreißt ist grausam.. Und tut so weh..

Aber das ist ja super, wenn er wieder fast eigenständig essen kann. Mein Papa hält oft das Messer verkehrt herum und durch eine Sichtfeldeinschränkung sieht er den rechten unteren Tellerrand nicht, wo er dann das Essen drüber schiebt, aber sonst klappts ganz gut.

Das ist schon eine enorme Belastung jeden Tag bzw so oft wie möglich da hin zu fahren. Ich hoffe es ist zumindest nich all zu weit zu fahren..
Ja natürlich.. Hat natürlich alles seine Vor und Nachteile. Kann er denn nachts überhaupt nicht schlafen oder passiert das nur manchmal?

Wenigstens gefällt es ihm und er hat es akzeptiert. Sonst wär das für die Psyche noch schlimmer..

@Tulip
Mein Papa mag es zb total gerne wenn ich ihm durch die Haare fahre oder den Kopf kraule, da wird er ganz ruhig und entspannt sich. Gestern wollte ich ihn umarmen zum trösten, da hat er nur seinen Arm um meine Schulter gelegt. Ich weiß aber nicht ob das Absicht war oder er durch sein Weinen so "abgelenkt" war.
CanadianGirl
LaPalma
31.08.2018 22:30:59
Abend Zusammen,

habe gerade nochmals das Gespräch von Anfang gelesen... Die Zeit ist so komprimiert, es passiert so viel, das Leben kommt wie Lawine auf uns zu...

Mein Mann hat Glioblastome IDH Wildtyp, MGMT nicht methyliert, ATRX mit erhaltenen Expression. OP 07.05.18, Radio/Chemo (TMZ) 6 Wochen, Therapie-Pause seit 17.07, Grund: Blutwerte (HB, Erythrozyten) zu niedrig, allg. Schwäche. Ausgeprägte kognitive Störungen (vor allem Zeit-Desorientierung, Wesenveränderung).

MRT vorgeschoben auf 23.08, Ergebnis: neuer Befund an der OP-Stelle, demnächst Aminosäure-PET in Jülich (in Uniklinik wird nur alle 14 Tage gemacht, zu lange).

Heute ist etwas passiert, was mir keine Ruhe gibt.
Ich war ca. 3h weg. Als ich zurück kam, stand mein Mann vor der geöffneten Eingangstür (unser Nachbar hat ihn auch Wache stehend gesehen), total aufgewühlt, "wann ist Termin in Jülich? Ich bin hier allein und weiß nicht weiter...". Ich konnte ihn ziemlich schnell beruhigen (dachte ich), aber bei Mittagessen schrie er plötzlich "Hilf mir! Hilf mir!" mehrmals, sackte zusammen, schaffte dann noch zum Bett und seitdem schläft (seit 13 Uhr mit kleinen Pausen). Kaum gegessen (ca. 100-200g /Tag), getrunken nur weil ich ihn dazu fast gezwungen habe, kaum und sehr leise gesprochen...Was ist das???

Er ist jeden Tag schwächer, jeden Tag. Geschmolzen auf 48 kg. Wieso geht es so rasch bergab?

Ich bedanke mich ganz herzlich für Eures Mit-fühlen, Mit-leben, es ist mir so wichtig geworden! Drücke Euch fest!
LaPalma
suace
31.08.2018 22:58:45
Liebe La Palma
Wie schnell es geht, kann niemand vorhersagen. Es tut mir unendlich leid für Euch.
Kannst Du mal probieren,ihm hochkalorische Trinknahrung zu geben? Fortimel gibt es ggf. als Probe in der Apotheke Deines Vetrauens.
Und evtl. Cannabis? ...das hat uns in der schlimmen Zeit der Bestrahlung geholfen. Mein Liebster war besser drauf und hat wieder gegessen.... kannst mich gerne anschreiben wenn Du mehr wissen möchtest.
suace
alex90
02.09.2018 18:03:12
@ LaPalma
Wir hatten vor zwei Wochen die Situation, dass Papa zwei Tage hatte, an denen er (fast) nichts gegessen und getrunken hat. Nur unter größtem Zwang hat er einige Bissen gegessen und einen Schluck getrunken.

Wir vermuten, dass das mit dem Ausschleichen des Dexamethason zusammenhing. Wir wurden vom Pflegeheim, in dem er ist, auf den ambulaten Hospizdienst aufmerksam gemacht. Deren Ärztin hat gleich wieder das Dexamethason hochgesetzt und gesagt, dass man nicht ausschleichen soll. Zusätzlich erhält er Sevredol (Morphium). Seit er das zu sich nimmt, ist er sehr gut drauf, isst wieder und trinkt, ist sehr klar im Kopf und hat - nach eigener Aussage - keine Schmerzen. Cannabis wurde beantragt, scheint aber noch keine Genehmigung für ihn zu geben.

Seid ihr an einen Hospizdienst angeschlossen?
Falls nicht, schau dich mal um. Die kommen leichter an Morphium- und Cannabis-Präperate. Vielleicht hilft ihm das.

Mein Papa hat mittlerweile auch über 25kg verloren, hält sich aber seit einiger Zeit. Wobei er von 48kg noch weit entfernt ist.

Welche Medikamente nimmt Dein Mann derzeit? Nimmt er Kortison, falls ja, wie hoch ist die Dosierung?
alex90
LaPalma
02.09.2018 19:50:28
Hallo Ihr Lieben! Danke für Trost!!!
Mein Mann nimmt zur Zeit Antikoagulant gegen Thrombose, Kortison (2 mg/Tag), Pantaprazol, Janumet (Diabetis II). Chemo: Pause seit 17.07, nachdem Radio/Chemo zu Ende war.

So extrem wie am Freitag war es noch nie. Jetzt denke ich, er war so gestresst durch meine Abwesenheit, dass es zu Krise kam. Er isst wieder. Wenig, aber isst. Die Astronauten-Nahrung haben wir auf Rezept bekommen. Mein Mann trinkt 1/2 Fläschchen am Tag, immerhin.

Morgen haben wir PET-Termin, am 11.09 Besprechung in der Uni. Hoffentlich bekommen wir etwas mehr Klarheit.

Hospiz: ich mache die nächsten Tage einen Besuch (mit Stein am Herzen und geöffneten Augen).

Alles-alles Gute!
LaPalma
LinaK
04.09.2018 00:30:05
Hallo La Palma, warst du schon im Hospiz? Ich hab mich dort schon einige Male zu Gesprächen mit einer Dame unterhalten und hoffe sehr, dass ich einen Platz dort bekomme, wenn es soweit ist. Die Stimmung dort war so friedlich, und mir hat der positive Umgang mit dem Lebensende wirklich Mut gegeben.
LG Lina
LinaK
LaPalma
04.09.2018 12:38:56
@Lina,
ich habe gerade einen Termin vereinbart, NACHDEM ich Deinen Beitrag gelesen hatte. Von Dir aus kommt Licht, Du hast mich ermutigt.

Wir haben gestern bei PET einem Vater mit der an Hirntumor kranken Tochter (Mitte 20?) begegnet... Oh Gott, die Familie hat es voll erwischt. Ich schäme mich fürs Jammern, es gibt viel schlimmeres. Was habe ich zu sagen im Vergleich zu Menschen wie Lina?

Alles Gute!
LaPalma
LinaK
04.09.2018 13:32:58
Hallo LaPalma, ich glaube, als Angehörige habt ihr de schwereren Job...
Grüßle Lina
LinaK
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