
Frank[a]
Ein langer Weg
Wir wissen nun seit mehr als sieben Jahren, dass meine Frau ,etwas' im Kopf hat. Erst sechs Monate nach dem ersten Anfall wurde von ihrem Neurologen der Verdacht bestätigt, dass es sich um einen Tumor handelt. Nach Auskunft der Ärzte einer Uni-Klinik hat sie zu dem Zeitpunkt schon ca. 10 bis 15 Jahre mit dem Tumor gelebt.
Die ersten Jahre nach der Entdeckung war eigentlich nur das Bewusstsein um diesen ,Untermieter' vorhanden. Erst nach Jahren haben wir die zerstörerischen Wirkungen dieses Tumors auf unsere Beziehung bemerkt. Nach weiteren Jahren hat sich der Zustand meiner Frau so deutlich verschlechtert, dass sie während der Nacht nicht mehr ohne Aufsicht bleiben kann und auch nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen kann.
Die schleichende Rückentwicklung auf das geistige Niveau eines Kindes in den letzten Jahren und Monaten ist auch nicht spurlos an mir und unserer Tochter vorbeigegangen. Unsere Tochter äußert ihre Probleme mit der Situation durch massive Schulprobleme, ich habe zwischenzeitlich nicht nur berufliche Probleme sondern auch Probleme in meiner sexuellen Ausrichtung. Symptome die ich aus meiner Pubertät schon kannte sind in sehr viel heftigerer Form in den letzten 2 ½ Jahren, besonders in den letzten 12 Monaten, wieder aufgetreten. Es ist ein nicht mehr endender Zwang, der von vielen Bereichen meines Lebens Besitz ergreift. Da ich durch meine Frau, von der ich mich auch wegen der jetzt schon stark belasteten Tochter nicht trennen möchte, meine sexuellen Begierden nicht mehr befriedigt bekomme, flüchte ich mich mehr und mehr in diese sexuelle Scheinwelt deren Ende und Folgen ich in der Zwischenzeit nicht mehr erkennen und abschätzen kann. Ich habe nicht mehr die Kraft neben den anderen Dingen auch noch dort zu kämpfen. Ich lasse mich dort einfach treiben und gerade immer mehr in den Abgrund. Die Verheimlichung dieser Neigungen vor meiner Frau führt dann immer noch zu zusätzlichen Konflikten. Gesprächsgruppen und zeitweise Trennung reichen schon lange nicht mehr. Die Wirkung solcher Maßnahmen ist immer nach kurzer Zeit wieder neutralisiert.
Medizinisch geht der Weg meiner Frau scheinbar dem Ende zu. In der vergangenen Woche hat der Arzt die Chemo abgesetzt und es besteht der Verdacht auf weitere Tumore in den Nieren und unter Umständen auch in der Lunge.
Wie lange der Weg aber noch ist und wie lange ich ihn wenigstens nach außen noch verkrafte weiß ich nicht. Auch kann ich das Ausmaß der Altlasten für unser weiteres Leben nicht absehen.