Lottakarotta

Liebes Forum,
manchmal lassen mich die Aussagen der Ärzte ja wirklich verzweifeln und manchmal machen mich die Aussagen einfach rasend sauer .

Letzte Woche hatten wir das Abschlussgespäch der Strahlentherapie bei einem wirklich guten Radiologen der sogar unter den Top 40 bei der Focusbewertung ist.

Ich fand ihn schon immer sehr direkt, aber dennoch einfühlsam. Er begrüßte uns mit einem Lächeln und meinte, wir sollen eine Flache Sekt aufmachen, alles Ok .

Es gibt zwar einen kleinen Bereich, der sich aber nicht verändert hat und zu diesem Zeitpunkt absolut sein darf. Es gäbe kein Grund zur Sorge . Er hat uns alles bis ins kleinste Detail erklärt und wir sind zufrieden nach Hause.

Dann hatten wir gestern in der gleichen Klinik ein Gespräch beim Neurochirurgen um die TTF‘s weiter zu beantragen. Dieser Arzt meinte , der kleine Teil könnte alles sein, vielleicht auch ein Rezidiv …. Wir haben ihn auf diese Aussage, dann natürlich direkt darauf angesprochen, ob ein PET sinnvoll wäre und ich bekam die Antwort: Nein, alles ok, das müsste jetzt nicht sein, der Professor hat schon recht , dass alles ok ist . Verlaufskontrolle in 3 Monaten reicht.

Im MRT-Bericht wurde ein Verdacht auf Rezidiv auch nicht erwähnt.

Mich machen diese verschiedenen Aussagen echt wahnsinnig und ich frage mich wirklich, für was es ein Tumorboard gibt, wenn jeder unterschiedliche Aussagen trifft.

Habt ihr auch solche Erfahrungen?

Hope1971

Hallo liebe Lottakarotta!

Ja, wir haben die gleichen Erfahrungen. MR erfolgte nach Abschluss Kombitherapie Mitte März 2024. Gleiche Situation wie bei euch, wobei im Befund meines Mannes DD: Rezidiv erwähnt ist.
Wir wissen nun genauso viel wie vorher. Die Neuroonkologin meinte, es passt alles. Jedoch in Anbetracht des Befundes......????? Ich befürchte auch, dass bei der nächsten Kontrolle in ganz genau einem Monat das gleiche Problem sein wird.

Es macht alles so hilflos. Man ist den Ärzten so ausgeliefert und muss komplett vertrauen, sonst macht man sich irre. Wir haben das nun so akzeptiert, denn was wäre, wenn wir wüssten dass wieder etwas wächst nach so kurzer Zeit???? Dann wäre es wohl das Ende. Mein Mann ist unmethyliert, das heißt, andere weitere Therapie-Optionen auch so gut wie nicht vorhanden.

P.S.: Kann mir jemand sagen, was Cutoff 5% bei der Methylierungsbestimmung heißt?? Ist wahrscheinlich ein ganz schlechter Wert......

LG, Michi

KaSy

Du fragst, was Cutoff 5% bei der Methylierungsbestimmung heißt?? Ist wahrscheinlich ein ganz schlechter Wert...... "

Zunächst:
Er ist weder gut noch schlecht und hat nichts mit dem Befund zu tun.

Der "Cut-off Wert" ist eine "Toleranzgrenze" (laut Wikipedia).
Er wird festgelegt, um die Genauigkeit des Messverfahrens zu verdeutlichen.

Der Laborbefund "Methylierung" wird mit einem bestimmten Wert angegeben.
Von diesem Wert hängt es ab, welche folgenden Therapien sinnvoll sind.

Z.B. könnte als Chemotherapie Temozolomid oder die PCV-Polychemotherapie (eine Kombination aus Procarbazin, dem Nitrosoharnstoff CCNU = Chlorethyl-Cyclohxyl-Nitroso-Urea und dem Mitosegift Vincristin) oder andere Arten die bestmögliche Wirkung zeigen.
Alle diese Chemotherapien wirken gegen diesen Tumor, aber jede mit unterschiedlichem Erfolg.
Dieser Erfolg hängt von sehr vielen individuellen Voraussetzungen ab und davon ist die "Methylierung" eine einzelne Voraussetzung.

Um die Methylierung exakt, also mit 100%iger Sicherheit, zu bestimmen, braucht der hochqualifizierte Laborant den gesamten Tumor.
Den kann er aber gar nicht bekommen, denn hirneigene Tumoren können nie ganz entfernt werden. Selbst wenn er jede einzelne Zelle hätte, würde es Jahre dauern, um die Methylierung und die vielen anderen Merkmale zu bestimmen. Das ist das erste Problem.

Das zweite Problem ist, dass nicht mehr nur das Mikroskop, sondern weitere technische Verfahren genutzt werden. So wie das menschliche Auge (Mikroskop) Toleranzgrenzen hat (die man nicht in % angeben kann), so hat jedes andere technische Verfahren auch Toleranzgrenzen bei der Ermittlung von Messergebnissen. Diese können in Prozent angegeben werden und werden mit dem Begriff "Cut-off Wert" bezeichnet.

Seit mehreren Jahren können sehr viel mehr Merkmale eines Tumors aus einer Probe ermittelt werden.
Da diese Werte entscheidend für die Folgebehandlung sein können und von den Ärzten dafür als Grundlage genommen werden, verlangt die EU sinnvollerweise mit dem ermittelten Wert den "Cut-off Wert" bzw. die "Toleranzgrenze" des verwendeten Verfahrens.


Aus der Physik sind diese Messungenauigkeiten* =Toleranzgrenzen = Cut-off Werte bekannt und mussten in der Schule bei der Auswertung von Experimenten mit benannt oder erläutert werden, nur hatten sie dort den verständlichen Namen (*).
Vielleicht versteht man es besser, wenn man sich vorstellt, dass man Längen misst. Für die Entfernung von Berlin nach Bonn ist sogar die Kilometerangabe viel zu ungenau, da sie entweder die Luftlinie oder die Fahrstrecke mit dem Zug oder dem Auto angibt.
Soll aber der Gartenschlauch zum Wasserhahn passen, kommt es auf Millimeter an.
Bei Laborbefunden spielen winzigste Teile des "Einheitsmeters" (und das Aussehen) eine Rolle - und dann steht nicht einmal das gesamte Tumormaterial zur Verfügung.

Von diesem ist jedoch bekannt, dass nicht alle Zellen eines Tumors dieselben Merkmale aufweisen. Durch die immer größer werdende Anzahl von Merkmalen gibt es auch immer mehr Unterschiede zwischen den Zellen eines Tumors.
Und das hat vor mehreren Jahren zur weiteren Differenzierung der Tumorarten geführt. Damit müssen die Ärzte klarkommen. Und das tun sie für uns!

Für sie wird die Fortführung der Therapie für jeden Patienten immer komplexer und deswegen beraten sie sich in den Tumorkonferenzen = Tumorboarden.

Dass sie sich auch noch äußerst viel Mühe geben, ihren Patienten und (wenn Zeit ist) deren Angehörigen alles möglichst genau zu erklären und ihnen (weil sie sinnvollerweise dazu verpflichtet sind) alle Dokumente auszuhändigen, passiert es, dass sie nicht mehr jeden latein-griechisch-englisch-deutschen-kombinierten- ... Begriff erklären können, selbst wenn sie es wollten.

Ich bin der Überzeugung, dass die Ärzte sehr sehr viel wissen und immer dazu lernen, um uns immer besser behandeln zu können.
Wir dürfen gern alles erfahren, aber ein gesamtes Medizinstudium in verschiedenen Fachrichtungen mit den Weiterentwicklungen und Umsetzungen in der Praxis für unsere Lebensqualität bis zu einem möglichst beschwerdearmen Sterben - das können wir keinesfalls besser.
Wir müssen als Patienten vertrauen und fragen und die Angehörigen müssen für ihre Angehörigen da sein und auch Fragen stellen, aber verstehen muss keiner alles, auch die Ärzte nicht.

Ich achte diejenigen Ärzte, die wissen, wo ihre fachlichen Grenzen sind, und sie mir gegenüber benennen. Sie überweisen mich an Fachärzte oder sagen mir, dass sie etwas vermuten, aber sich erst mit weiteren Fachärzten bis hin zur Tumorkonfenez besprechen werden.

Das ist der Weg, den auch "LottaKarotta" in ihrer Verzweiflung vorgeschlagen hat.

KaSy

Hope1971

Liebe KaSy!

Es ist unglaubliches Wissen, das du da hast!!!! Ich werde diese Zeilen wahrscheinlich x-male durchlesen müssen, um es letzten Endes einigermaßen zu verstehen.
Darf ich dich fragen, ob du aus beruflichen Gründen dich so auskennst oder ob du dich so mit der Materie beschäftigt hast, dass du dieses Wissen hast?

Vielen Dank erstmal für deine Mühe dies so ausführlich und explizit zu beantworten.

Ich bewundere hier sehr Viele, die so unglaublich großes Wissen haben, dieses ausführlich versuchen an die "Unwissenden" wie mich weiter zu geben.

Vielen vielen herzlichen Dank für die Mühe!

Antworten nur für eingeloggte Benutzer möglich

Nur angemeldete Nutzer können eine Antwort erstellen. Bitte loggen Sie sich ein oder erstellen Sie einen Account.