appendix

Hallo,
vor 4 Wochen wurde mein Meningeom an der Schädelbasis, am Sehnerv erfolgreich entfernt. Letztes WE dann wieder in die Klinik, weil sich die Narbe entzündet hat - ausgerechnet an der Stelle, an der die Schädeldecke geöffnet wurde...Infusionen mit verschiedenen Breitbandantibiotikas, CT, Abstrich, Blutabnahme...jetzt wieder daheim mit Antibiotika oral. Krankgeschrieben bin ich noch bis zu den Pfingstferien, danach wieder zurück in den Schulalltag. Ich traue mir aktuell nicht zu, wieder vor meiner Klasse zu stehen und den Schulalltag zu schaffen - aber mein schlechtes Gewissen, dass ich nach so langer Zeit nicht wieder voll dabei bin, macht mich ganz unruhig. Wie habt ihr den Einstieg wieder gut geschafft? Gibt es Kolleginnen, die von einer Rekonvaleszenzlösung profitiert haben? Ich freue mich über den Austausch mit euch.

Prof. Mursch

Früher habe ich Patienten nach Hirntumoroperationen eher arbeiten lassen. Ich denke aber, dass ein solcher Eingriff etwas sehr Eingreifendes ist und man eine lange Erholungspause braucht. Gerade wenn Sie vor einer Klasse stehen, und die eine Narbe sehen oder Ähnliches, wird auf jeden Fehler gewartet. Aktuell ist ihre Situation mit einer Entzündung ohne ohnehin nicht sicher. Ich würde mich an ihrer Stelle, allerdings natürlich, ohne ihren Fall zu kennen, auf eine viel längere Erholungszeit einstellen. Ich bin nicht sicher, ob Sie nach den Sommerferien schon arbeiten sollten.

Prof. Dr. med. Kay Mursch
Neurochirurg
Zentralklinik Bad Berka

appendix

Sehr geehrter Herr Prof.Mursch,

vielen Dank für Ihre Zeilen. Tatsächlich hat mich die Entzündung, bzw. die Antibiose echt belastet und "zurückgeworfen" Ich werde in Tü bei dem behandelnden Arzt nachfragen, wie er das einschätzt und ob er eine Verlängerung der Krankschreibung befürwortet. Das kostet mich echt Überwindung.


Herzliche Grüße zu Ihnen

Onlyjoking

Hallo appendix,

ich war 1 Jahr krankgeschrieben, hatte nach der OP allerdings noch Strahlen- und Chemotherapie über mehrere Monate. Auch ich hatte zwischendurch Gewissensbisse. Aber letztlich habe ich die Zeit gebraucht. Ohne die von mir genannten Nachbehandlungen würde ich mich auf eine Krankenzeit von mindestens (!) 3 Monate einstellen. Vielleicht solltest du in dieser Zeit noch eine Reha machen. Und fang mit einer Wiedereingliederung ins Berufsleben an. In der Zeit bist du weiter krankgeschrieben und arbeitest erstmal nur wenige Stunden am Tag / in der Woche. Außerdem kannst du die Wiedereingliederung jederzeit abbrechen, falls du es noch nicht schaffst zu arbeiten, und wärst dann erstmal wieder voll krankgeschrieben.

Der Hausarzt ist bei so einer Fragestellung auch oft ein guter Ansprechpartner.

KaSy

Hallo appendix,
Ich war Diplom-Mathematik-Physik-Lehrerin, hatte bereits 15 Jahre lang Schüler der 4.-10. Klassen unterrichtet und auf ihren Lebensweg begleitet, als 1995 im Alter von 37 Jahren mein erstes Meningeom festgestellt wurde. Bereits das war ein enormer Schock. Hinzu kam, dass der Chefarzt der Neurochirurgie mir am 10. Mai im Erstgespräch erklärte, wie die OP ablaufen würde, dass sie trotz der bereits von außen sichtbaren Größe für zwei Monate später gut eingeplant werden würde und ich danach 6 Monate zu Hause bleiben solle, bevor ich mich im Laufe von weiteren 6 Monaten langsam wieder einarbeite. Für mich fiel eine Welt zusammen!
Ich stamme aus der DDR, für uns war alles so unsicher und hinzu kam, dass ich meine drei Kinder seit 1,5 Jahren allein erzog.
Das war alles so sehr viel zu viel!

Aber dieser Neurochirurg hatte Recht!

Er hatte Erfahrung mit den Folgen von Hirntumor-Operationen und wusste, dass ein Eingriff in das Gehirn viel mehr an Zeit benötigt, um als Gesamtperson damit umgehen zu können.

Ich bin diesem Arzt auch heute noch sehr dankbar.

Ich hatte die OP gut überstanden, das recht große Meningeom war restlos entfernt worden und meine Ängste vor den Persönlichkeitsänderungen traten nicht ein. (Beides war für mich damals so.)
Ich fuhr 14 Tage nach der Entlassung (stationär war man damals drei Wochen) zur 4-wöchigen AHB in die Nähe, für die Kinder setzten sich meine Eltern ein und sie besuchten mich auch mit ihnen.
Im ersten Halbjahr des Schuljahres 1995/96 blieb ich zu Hause und hielt einen engen Kontakt (per Brief!) zu meiner Klasse und den Kollegen.
Im zweiten Schulhalbjahr steigerte ich meine Arbeitszeit nach und nach.
Ab dem Schuljahr1996/97 arbeitete ich wieder voll und merkte im Verlauf dieser Zeit, dass ich erst zwei Jahre nach der OP wieder so umfassend aktiv tätig sein und gleichzeitig für meine drei Kinder dasein konnte wie ich das von davor kannte.
Bei mir war diese erste OP optimal verlaufen und dennoch habe ich so lange gebraucht.

Diesem ersten Gespräch verdanke ich, dass ich mir auch nach späteren OPs stets ausreichend Zeit nahm, um in Ruhe fit zu werden. Ich konnte auch nach weiteren OPs noch 16 weitere Jahre als Lehrerin an verschiedenen Schultypen arbeiten. Diese OPs ließen mich sensibler für schwierige Schüler werden und besonders um sie bangte ich, als ich im Jahr 2012 in den Ruhestand gehen musste. Statt dessen mache ich für die Betroffenen mit der "schwierigen" Hirntumorerkrankung weiter, das geht von zu Hause aus.

Nimm Dir ausreichend Zeit! Deine Schüler brauchen Dich voll und ganz!
So lange Du zu Hause noch mit den OP-Folgen zu tun hast, denk nicht mal daran! Du bist jetzt diejenige, die für sich die Geduld aufbringen muss, um wieder für so viele kleine "Geister" fit zu sein. Erst wenn Du Dich zu Hause langweilst, dann denk an eine schrittweise Wiedereinarbeitung über einen möglichst langen Zeitraum.

KaSy

PS: Die Krankschreibung empfahl der Neurochirurg, krankgeschrieben wurde ich natürlich von der Hausärztin! (Dürfen die Klinikärzte überhaupt eine Arbeitsunfähigkeit nach der Entlassung bescheinigen?)

Toffifee

Hallo appendix,

Du schreibst was von schlechtem Gewissen.
Den Schülern gegenüber oder deiner Gesundheit?
Reha hattest Du wohl keine. Wäre eine Überlegung wert.

Schulalltag kenne ich so nicht. Schüler ja, aber nicht kleine und nur zwei Fächer und eher wenige (max sechs bis sieben) sowie zeitlich eher kürzer. Wie ist das Kollegium?
Ich habe das Riesenglück mit sehr netten und kompetenten Kollegen zusammen zu sein.
Ich hatte jahrelang (etwa vier oder fünf Jahre) Gedächtnistraining. Inzwischen leider nicht mehr. Dafür Selbsthilfegruppe und eine gelegentliche "Spazierganggruppe" mit Austausch.
Etwas über ein Jahr trug ich teilweise eine Mütze, dann verzichtete ich drauf. Manchmal gibt es Fragen von Kleinen.
Ich wünsche Dir einen guten Wiedereinstieg und ein gutes Umfeld. (Kollegium und auch Schüler)

Alles Gute
Willi

appendix

Hallo,

tatsächlich bezieht sich das schlechte Gewissen auf meine Abwesenheit in der Schule..ich war in den letzten Jahren nie mehr als 2 Tage krank und für mich ist das eine völlig neue Situation, so lange weg von den SchülerInnen und Kolleginnen zu sein. Den Alltag daheim schaffe ich mit viel Pausen und in gemächlicherem Tempo, mir das für den Schulalltag zuzugestehen, fällt mir wirklich schwer. Aber das ist wohl eine Macke von mir und ich bin dankbar für eure Rückmeldungen, die mich nachdenklich stimmen. Danke dafür.
Bezüglich Arbeitsunfähigkeit - Krankmeldung über den Hausarzt, ja, aber für eine Wiedereingliederung brauche ich eine fachärztliche Bescheinigung...den operierenden Arzt habe ich nach der OP einmal gesprochen, danach immer wechselnde Assistenzärzte, die sich mit meinem Fall nicht wirklich beschäftigen konnten, da zu wenig Zeit.
appendix

FES

...die allermeisten Hausärzte haben seit 2008 eine fachärztliche Weiterbildung. Ich habe solche Wiedereingliederungen immer akzeptiert .
Falls nicht, schreibt Ihnen ein niedergelassener Neurologe einen Rekonvaleszenzplan...

Freundliche Grüße

KaSy

Hallo, appendix,
Engagierte Lehrer haben keine "Macke", wenn sie sich nicht um ihre Schüler kümmern können. Es ist ihr Lebensinhalt! Und wenn der fehlt, dann fehlt ein großes Stück des Lebens. Diese Lücke wird durch die Hirntumotherapie zunächst ausgefüllt. Aber die Gedanken sind schnell wieder bei den Kindern, denen man doch fehlt. Man erfasst es gar nicht, dass man "ersetzbar" ist, für eine gewisse Zeit oder irgendwann für immer. Ich habe meine Sehnsucht nach dem normalen Leben mit den drei eigenen Kindern und den hunderten Schulkindern versucht auszugleichen, indem ich den Kontakt mit ihnen hielt. Und sie staunten, als ich ihnen aus der Rehaklinik schrieb, dass ich dort mehr Sport mache als sie. Diese zeitweise Lebenslücke wird größer, der Hirntumor füllt sie nicht mehr aus, jetzt ist Genesung dran und Geduld. (Der Gedanke, dass ein anderer für mich "Langzeiterkrankte" eingestellt werden könnte, kam mir damals nicht, aber es ist eine Chance für sie/ihn.) Als ich nach einem halben Jahr mit ganz wenigen Stunden wieder begann, waren die Kinder glücklich und ihre Eltern klatschen mir Beifall (?). Für mich war es eine Mischung aus "endlich wieder da sein, wo ich hingehöre" und "dass ich mir vorkam, als hätte ich drei Jahre keine Ferien gehabt". Auch wenn es nur wenige Unterrichtsstunden sind, "Schule" kann man nicht halb machen. Wenn man da ist, ist man da - und zwar voll und ganz mit all dem, was vor, während, zwischen, nach dem Unterricht auf einen zukommt. Die Kinder nehmen mich/Dich voll in Beschlag! Wir sind sofort mittendrin. Und falls uns das doch zuviel wird, weil wir merken, dass wir doch zu früh begonnen haben, dann trauen wir uns nicht aufzuhören. Weil "Lehrer sein" ein Lebensinhalt sein kann. Für Dich und mich ist das so. Und deswegen ist es gut und richtig, sich lange genug auf diesen "vollen Einstieg mit ganz wenigen Stunden" vorzubereiten.

Meine Wiedereinstiegspläne wurden mit dem Arbeitgeber, der Krankenkasse und meiner Hausärztin abgesprochen.
Entscheidend für die Planung der Steigerung war die Hausärztin.
Der Schulleiter bekam ein Formular, damit er planen konnte und die Krankenkasse eins, weil sie das Krankengeld zahlte.
Das lief genauso, als ich noch angestellt und als ich später verbeamtet war.
Die Hausärztin erhält alle Befunde aller behandelnden Ärzte, bei ihr läuft alles zusammen. Sie hat den Gesamtüberblick und kennt ihre Patienten "rundum" am besten bzw. lernt sie im Verlauf immer besser kennen. Sie weiß am besten, wie sich der Zustand entwickelt und wann die Lebensqualität wieder so gut ist, dass sie es "erlauben darf" den Patienten wieder arbeiten zu lassen.
(Jedenfalls ist das hier so.)

KaSy

Koimone

Huhu!

Bei mir wurde 10/22 ein größeres Meningeom an der Schädelbasis entfernt. Ich bin seit 07/22 durchgängig krankgeschrieben, weil ich aufgrund der Augenmuskellähmung und den Doppelbildern kein Autofahren darf und mein Job halt im Außendienst ist. Neben der Augenmuskellähmung habe ich noch andere Baustellen die noch abgebaut werden müssen. Ich plane meine Wiedereingliederung ab November 24, dann ist auch die letzte Augenkorrektur OP vorbei. Mein Operateur hat mir bei der Nachkontrolle 01/23 sehr ans Herz gelegt mir wirklich mit dem Arbeiten sehr viel Zeit zu lassen. Ja ich hatte auch im Jahr 22 das schlechte Gewissen Gefühl was meine Arbeit angeht, aber mein Arbeitgeber hat schnell reagiert und einen Ersatz eingestellt bis ich wieder zurück bin. Ich hatte damals den offenen Weg zu meinem Arbeitgeber gewählt und ihn mit der Diagnose eingeweiht. Alles bisher sehr positiv und menschlich. Es ist kein kleiner Betrieb sondern mit über 1000 Mitarbeitern.


Ich kann dir echt nur von Schädelbasis zu Schädelbasis Operierten raten dir Zeit zu lassen 😘


Grüße
Simone

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