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scrabble62

In meinem Blog "Ein Alien im Kopf" beschreibe ich seit dem 1.1.2014, wie ich versuche, mit der ganzen Situation umzugehen: Von der Notfalleinweisung meiner Tante (gegen Ihren Willen) ins Spital, über die Erstdiagnose, die Abklärungen, Biopsie und endgültige Diagnose: 4 Glioblastome, irroperabel. Meine Tante hat mich in ihrer Patientenverfügung eingesetzt, ihre Interessen zu vertreten und hat auch klar definiert, was ihr wichtig sei: Möglichst hohe Lebensqualität über möglichst lange Zeit, aber keine Verlängerung durch künstliche Ernährung etc. Ausdrücklich hat sie verlangt, dass ich bei allen Arzt- und Betreuungsgesprächen dabei sein soll, und ich habe das auch möglich gemacht, obschon ich daneben ein eigenes Geschäft habe. In den letzten Tagen hat sie aber ohne mich (oder, wie ich es empfinde, hinter meinem Rücken) organisiert, dass sie morgen nach Hause entlassen wird. Spitex und Fahrdienst sollen für ihre Betreuung sorgen. Viele Fragen sind offen, Notruf ist noch keiner da (kommt frühestens nächste Woche), sie hat ein schlechtes Zeitgefühl, vergisst vieles, ist unsicher im Gang (auch wenn das durchs Cortison besser geworden ist). Ich mache mir grosse Sorgen, wie das gehen soll: Sie lebt alleine, ihre Kinder kümmern sich kaum um sie (deswegen war ja auch ich es, die schliesslich die Notfallaufnahme einleitete), und sie hat extrem übertrieben, was diese und NachbarInnen an Unterstützung bieten können /sollen. Ich verstehe ihren Wunsch, lieber zu Hause zu sein – habe aber den Eindruck, dass sie da nicht sicher ist. Mehr dazu im aktuellen Beitrag:
hirntumor.wordpress.com/2014/01/22/sturm-im-kopf/

Deshalb meine Frage an Betroffene: Wo liegt für euch die Grenze zwischen Unterstützung und Bevormundung? Wo wünscht ihr euch, dass Angehörige eingreifen – und wo sollen sie sich gefälligst raushalten? Bin gerade sehr verunsichert …

Pipo

Hallo,

das ist glaube ich ein schmaler Grat. Mein Mann war anfangs ganz unglücklich, weil ich ihn nicht alleine aus dem Haus gelassen habe und hat sich durch meine vermeintliche Übervorsicht bevormundet gefühlt - zu diesem Zeitpunkt ist er aber blind auf die Straße gelaufen, ohne auf die Autos zu achten.
Ich denke, daß die Frage ist, ob Deine Tante im Moment eine Gefahr für sich selbst darstellt, z. B. den Herd anläßt o.ä., also zumindest vorübergehend einer gewissen Aufsicht bedarf oder ob sie nur etwas chaotisch ist und Ihr die Situation gestemmt bekommt. Vielleicht tatsächlich mit Unterstützung der Nachbarn usw.

LG Pipo

scrabble62

Das mit dem Herd ist genau so eine Sache, die ich befürchte … sie ist sehr vergesslich, ich habe deswegen auch schon alle Kerzen entfernt und habe jetzt LED-Kerzen bestellt. Sie hat auch fast kein Zeitgefühl mehr, deshalb kann es sein, dass sie etwas "vorhin" angestellt hat – es können aber Stunden sein. Sie will keinen Mahlzeitendienst – vergisst aber entweder zu essen oder isst 2x praktisch hintereinander. Für die Medikamente kommt jemand von der Spitex vorbei, da wäre wenigstens eine gewisse Regelmässigkeit garantiert. Sie sollte 2x wöchentlich in die Therapie gefahren werden. Fahrdienst ist organisiert, aber ich glaube ehrlich gesagt nicht daran, dass sie dann jeweils parat ist, weil sie eben absolut kein Zeitgefühl hat und viel schläft. Und die Nachbarn können eben NICHT unterstützen – jedenfalls nicht so, wie sie sich das vorstellt. Die sind berufstätig, und zwar ausser Haus. Ich mache mir grosse Sorgen – v.a. auch, weil ich jetzt nicht mehr darauf vertrauen kann, dass sie mir sagt, wenn etwas schief gelaufen ist … Sie kehrt solche Sachen unter den Teppich – ich komme das dann allenfalls mit, wenn ich sie besuche und blaue Flecken sehe oder so. Und auch dann haben Stürze oder so für sie nichts mit der Krankheit zu tun - dann war sie noch etwas verschlafen, hatte den Pantoffel nicht richtig an oder was weiss ich. Aber im Moment kann ich wohl wirklich nur abwarten und das beste hoffen …

Malati

Diese Grenze finde ich auch sehr schwierig und mein Mann beschwert sich oft, bevormundet zu werden, wobei hier am Telefon schon Verträge geändert wurden, da er die Zusammenhänge nicht mehr versteht und für deren Widerspruch ich viel Zeit brauchte--und zum Teil Nerven...
Auch muss ich für alles mitdenken---- ich hätte es gern anders, aber er leistet es nicht mehr. Eigentlich weiss er dass, es tut mir auch weh, ihn oft so bevormundend behandeln zu müssen.
Kennt jemand einen besseren Weg?
Deine Tante kann imÜbrigen so froh sein, dass Du Dich kümmerst. Was du bislang machst, tust Du ja zu Ihrer Sicherheit.

Lg Marion

scrabble62

Wäre schön, wenn sie das auch so sehen würde … Im Moment bin ich nur die Böse, die ihr das Leben zu Hause nicht gönnen mag. Und dabei ist jetzt schon das Chaos ausgebrochen – und sie ist noch keinen Tag daheim! Ich mache mir grosse Sorgen – merke aber auch immer mehr, dass ich an den Anschlag komme … Jetzt hoffe ich einfach, dass das morgen klappt, dass wir uns an der Uniklinik treffen für das Gespräch in der Neuro-Onkologie – und dass ich hier meine Bedenken zumindest anbringen kann. Wenn die meinen, es sei zumutbar, sie alleine leben zu lassen, sollen die mir aber auch sagen, wie das organisiert wird und wer die Verantwortung übernimmt, denn ich kann und will das nicht! Aber das wird ständig ignoriert … Auch der Fahrer für morgen wurde offenbar nur für die Hinfahrt organisiert, "den Rückweg kann dann ja die Nichte organisieren … " – und das, obschon ich a) kein Auto habe und b) ganz woanders wohne als meine Tante! Zudem soll meine Tante, die nur die AHV hat und schon seit Monaten nicht mehr alle Rechnungen bezahlen kann und teilweise nicht genug Geld zum Essen hat, pro Fahrweg jeweils 20 Franken bezahlen (musste sie auch heute schon). Woher soll sie das Geld nehmen?Ich habe denen klipp und klar gesagt, dass sie keine Reserven mehr hat – im Gegenteil. Aber das wird einfach ignoriert … Ich könnte im Moment echt schreien vor Frust und Erschöpfung!

Malati

Scrabble, ich kann Dich so gut verstehen.
Auch hier sind alle die sich um ihn kümmern und ihn aus seinem psychischen Tief rausziehen wollen oder helfende Tipps geben für meinen Mann die Bösen und Neunmalklugen.
Alle, die kaum was tun, aber sich mehr einsetzen könnten, werden gelobt, haben ja lt. ihm so viel um die Ohren,dass sie nicht mehr da sein können und werden mit Verständnis belohnt. Ich komme hier hingegen kaum zum Ausruhen ausser nachts und selbst da schlafe ich schlecht.
Der Kranke scheint diese Ungerechtigkeit und ausgelöste Demotivation gar nicht zu registrieren.
Mittlerweile fürchte ich gehört das auch wie der Egoismus zur Krankheit.
Auch ich bin hier an meiner Grenze...versuch Dir Auszeiten zu verschaffen, hol Luft und binde ihre Kinder mit ein.
Das finde ich mehr als fair und forderbar.

Lg Marion

Lagy

Die Grenzen der eigenen Freiheit müssen dort sein, wo man die Freiheit des anderen beschneidet. Dies gilt für uns alle.

Hanna

Hallo scrabble 62,
ich nenne es Verantwortung und nicht Bevormundung . Denn, wenn Deine Tante die Verantwortung für sich selber übernehmen könnte, braucht man die Patientenverfügung nicht. Die Verantwortung für einen anderen Menschen ist schwer.

LG.
Hanna

scrabble62

Danke, ihr Lieben! Drückt mir und meiner Tante die Daumen für das heutige Therapiegespräch!

Pipo

Und, wie ist es gelaufen?

scrabble62

Nicht wirklich gut: M war eine Stunde zu früh da und völlig aufgelöst, weil die Fahrerin ohnehin zu wenig Zeit eingeplant hatte … Fühlte sich ständig schuldig und wollte die Besprechung abkürzen. Flippte aus, wir wollten sie bevormunden, als der Arzt darauf bestand, auch die Nebenwirkungen der Behandlung mit ihr zu besprechen. Als wir auf den Oberarzt warteten, benahm sie sich wie ein bockiges Kind: Ich will nach Hause! Mach du das ohne mich ! etc. Hatte Mühe, ihr zu erklären, dass es um ihren Kopf und um ihr Leben gehe – und dass mir die Fahrerin zwar leid täte, dass es aber weder ihr noch mein Problem sei, wenn der Soz.Dienst die Organisation nicht im Griff habe. Sie war völlig übermüdet und frustriert nach der Besprechung – und stinksauer auf mich, weil ich es gewagt hatte, beim Arzt nachzufragen, wer sich denn um all die Termine, Fahrten etc. kümmern würden, die im Laufe der Studienteilnahme anfallen, da ich das nicht managen könne. Sie ging danach zu Hause gleich ins Bett, meine Cousine informierte mich entsprechend. Gestern konnten wir zum Glück zu Hause, in ruhiger Umgebung alles besprechen. Sie wird an der Studie teilnehmen und – sofern sie entsprechend ausgelost wird – Bestrahlung plus Anvistin erhalten.

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