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Thema: Worte, die fehlen ... Wie soll ich mit ihm reden?

Worte, die fehlen ... Wie soll ich mit ihm reden?
Sisa
07.10.2013 20:52:34
Hallo zusammen,

mein Bruder (33 Jahre) leidet an einem inoperablen Astrozytom III Bestrahlung brachte keinen Erfolg jetzt hat er wieder Chemo.
Seit gestern ist er wieder in der Klinik da er einen eptileptischen Anfall bekam. Ich rede oder schreibe jeden Tag mit ihm, doch nie über Dinge die ich gerne loswerden würde... mir fehlen die Worte...ich wüsste gern wie er seine Zeit noch verbringen will...möchte er zuhause seine letzte Reise antreten....wie hätte er gern seine Beerdigung....weiß er das ich ihn lieb habe und das er der beste kleine Bruder ist, den man sich wünschen kann.
Ich habe so viele Fragen, aber er redet nicht gerne darüber, ich habe ihm gesagt, dass ich für ihn da bin, wann immer er jemanden zum Reden braucht. jetzt weiß ich nicht, ob ich ihn drängen soll oder abwarten bis er anfängt zu reden...
ich habe im Moment die Angst, dass es irgendwann zu spät ist und ich im gar nichts mehr sagen kann...
Wie war das bei euch..?
seid lieb gegrüßt
Sisa
Sisa
gramyo
07.10.2013 21:17:44
Liebe Sisa und ihr Bruder,

ich finde es sehr schön, dass du jetzt doch einen Bericht geschrieben hast und wir dir viel mehr helfen und eben halt Trost geben können.

Vor allen Dingen möchte ich dir raten, lass dir und ihm Zeit. Das Wichtigste hat er dir ja eigentlich gesagt. Er möchte zu Hause seine letzte Reise antreten. Bitte, erfüllt ihm diesen Wunsch. Es ist für ihn und für dich ein guter Weg, der durchaus manchmal strapaziös sein kann, aber auch eine tiefe Erfüllung bringt.

Aber ,Sisa, JETZT ist er am leben. Zwar gezeichnet von seiner Krankheit, aber Liebe, Zuneigung und positive Gefühle kann man immer zeigen. Ich würde jetzt nicht über die Beerdigung sprechen. Warte , bis er damit anfängt. Wenn er nicht darüber reden will, akzeptiere es.

Mein Partner hatte 2 inoperable Glioblastome. Er hatte schon 3 Monate nach seiner Diagnose , genau aufgeschrieben, was er sich zu seiner Beerdigung wünschte. Dass er zu Hause, ich gebrauche gerne die Worte "ins Licht gehen" wollte, stand von Anfang an fest und man kann sich wirklich ein gutes Palliativteam zusammenstellen.

Jetzt, Sisa, spreche aber lieber über schöne, gemeinsame Erlebnisse aus eurer Kindheit , oder wie ihr überhaupt wohl einen herzlichen Kontakt beibehalten habt. Es ist schwer, jemanden, den man liebt, los zulassen, aber es ist möglich.
Es wird hier immer wieder geschrieben, aber es bleibt ja gültig. Wir alle gehen diesen Weg.....
wie lange leben wir? Wissen wir ja auch nicht!...
Wenn ich das Profilbild sehe mit den Pferden, dann stelle dir doch vielleicht vor, dass ihr gedanklich über Wiesen und Hügel zusammen reitet immer weiter, weiter in die Unendlichkeit....

Fühle dich ganz lieb von mir umarmt und verstanden . LEBE das Leben mit deinem Bruder HIER UND JETZT

denken Gramyo und ihr Mann,
der in ihrem Herzen und Leben
einen wunderschönen Platz einnimmt
gramyo
gramyo
07.10.2013 21:28:36
Liebe Sisa,

beim durchlesen habe ich bemerkt, das nicht er den Wunsch geäußert hat, zu Hause seine letzte Reise anzutreten. Aber das macht eigentlich nichts.

Wichtig nach wie vor bleibt, dass du bei ihm bist, auch in seiner letzten Zeit auf dieser Erde. Wenn es nicht zu Hause geht, obwohl es wirklich , meiner Meinung nach, der schönste, berührendste Weg ist, dann versucht eine Palliativstation zu finden, oder noch besser, einen Hospizplatz zu bekommen.

Bis dahin aber ...
lebt zusammen.....

Gramyo und ihr Mann gedanklich
gramyo
alma
07.10.2013 23:54:37
Hallo Sisa,

bei meinem Bruder (Blasen-Ca) war es so, dass es bis zum Schluss nicht möglich war, mit ihm über das baldige Ende zu reden. Er wusste oder ahnte es wohl, aber es an sich heranzulassen, ging nicht mehr. Ging eigentlich schon ab der Diagnose nicht. Da nützte auch keine ärztliche Aufklärung. Er war sehr tapfer, aber vielleicht war ihm diese Tapferkeit nur so möglich. Ich bin im Nachhinein froh, ihn darin in Ruhe gelassen zu haben.
Dass er dein liebster und bester Bruder ist, kannst du ihm ganz bestimmt sagen. Auch weinen darfst du sicher in seinem Beisein. Aber es ist nicht jedermanns Sache, offen mit Krankheit und Sterben umzugehen. Man mutet sich eben meistens nur zu, was man auch ertragen kann.

Liebe Grüße, Alma.
alma
Jenny33
08.10.2013 04:48:33
Liebe Sisa,
ich bin selbst an einem Glioblastom erkrankt. Ich habe zwei Schwestern, die nach der Diagnose ganz verzweifelt waren. Es ist (glaube ich) schwerer für die Angehörigen mit der Krankheit umzugehen. Wenn dein Bruder nicht über seinen letzten Weg reden will, dann musst du versuchen, das zu akzeptieren. Vielleicht kannst du deine Gedanken aufschreiben und ihm dann in nächster Zeit vorlesen oder zum Lesen geben. Bei mir ist es genau umgekehrt: meine Familie will gar nicht über mein Sterben reden, aber ich habe das Bedürfnis und kann es nicht loswerden. So oder so, es ist für alle ein harter, schwerer Weg. Ich denke an dich und wünsche dir alles, alles Gute und Gottes Segen,
Jenny
Jenny33
Felsquellwasser
08.10.2013 08:45:03
liebe Sisa
ich stimme mit allen Einträgen völlig überein ,du wirst einen Weg finden ,da bin ich mir sicher ,die Ideen sind wundervoll ,schreiben, reden, vorlesen weinen,eben was dich bewegt ihm mitzuteilen.
Zulassen ,dass dein Bruder sich ihm gemäß verhält ,das muss nicht ablehnend gemeint sein ,sondern die Form die er für sich wählt ,mit dieser Erkrankung umzugehen. Zeit spielt eine große Rolle ,es ist sehr schwer für den Erkankten sich sammeln zu können und das was daraus resultiert.
Von Herzen dir die Kraft es mitzutragen
Felsquellwasser
Felsquellwasser
wando
08.10.2013 15:20:26
Liebe Sisa,

ich kann mich allen meinen Vorrednerinnen (-schreiberinnen) voll und ganz anschließen.

Gestern hatte ich Besuch von einer lieben Freundin, sie ist in unserer Kirchgemeinde Kantorin und wir kennen uns schon viele Jahre. Letztes Jahr hat sie in ihrer "kirchlichen Funktion" meine Mutti auf ihre letzte Reise geschickt/begleitet. Dafür bin und werde ich ihr immer sehr dankbar sein. Ich hatte sie zu mir gebeten, weil ich dieses Thema, was wünsche ich mir, wenn ich meinen letzten Weg antrete oder angetreten habe, mit ihr in einem Gespräch erörtern wollte. Wir haben über sehr verschiedene Dinge gesprochen und auch über den Fall, wenn eine Äußerung der Wünsche nicht möglich ist, aus welchem Grund auch immer. Darauf hat sie gesagt: "Das entscheidest Du dann ganz aus Deinem Herzen heraus und Du wirst das Richtige tun". Ich glaube, das ist auch so.

Deinen Bruder solltest Du vielleicht jetzt erst einmal etwas Ruhe diesbezüglich gönnen. Er weiß ja, was Dich beschäftigt und eventuell, wird er sich Dir gegenüber auch noch äußern. Was Du aber aus meiner Sicht versuchen könntest Du ergründen (oder vielleicht weißt Du es ja auch) ist, ob er eine Erdbestattung oder eine Feuerbestattung möchte. Das wäre für mich eine überaus wichtige Sache, die geklärt werden müßte/könnte/sollte. Weil jemand, der eine negative Einstellung zu Feuer hat, der möchte auch ganz bestimmt nicht verbrannt werden. In diesem Punkt hat mir meine Freundin auch recht gegeben. Ansonsten, laß ihm Zeit und wenn er nicht reden möchte, dann ist es eben so - so schlimm, wie es für Dich auch sein mag - leider!!!

Ich wünsche Dir ganz viel Kraft für Dich und Deinen Bruder.

Liebe Grüße.

Andrea
wando
Sisa
08.10.2013 18:53:01
Hallo,

ich danke euch allen für eure Zeilen. Ich fühle mich hier sehr willkommen und vor allem verstanden .Ich habe beschlossen euren rat zu befolgen und ihm die Zeit zu lassen die er braucht. Heute habe ich ihn von der Klinik abgeholt und was soll ich sagen wir hatten eine menge Spaß und haben viel gelacht..trotz des Gespräches mit dem Arzt. Er ist und bleibt ein großartiger Mensch und dieses unbeschwerte in jedem einzelnen Augenblick hilft über somanche schwere Zeit hinweg.

Ich wünsche euch allen alles liebe und bedanke mich für ein Stück des Weges den ihr gemeinsam mit mir geht

Liebe Grüße
Sisa

(die immer noch ein Lächeln auf den Lippen hat von einem tollen Tag)
Sisa
dirlis
08.10.2013 19:43:57
Hallo Sisa,

Ich freue mich, dass Ihr einen so schönen Tag hattet!
Wenn Ihr Jetzt und Hier noch lachen könnt, dann ist das doch ein tolles Zeichen. Nutzt und genießt es.

Falls dann doch mal Schwermut aufkommt, kannst Du Dir überlegen, ob das Erinnern von gemeinsamen Erlebnissen ein Weg ist ins Gespräch zu kommen.

Wir haben unterschiedliche Projekte angefangen. eines davon sind unsere Jahresringe. Einfach ein Ringbuch und jedes gemeinsame Jahr hat eine Doppelseite. Wo waren wir, welcher Urlaub, welche kleinen Katastrophen/Krankheiten, schönen Dinge? Welche Kinofilme oder welche Musik haben wir gehört...

Es ist spannend wie unterschiedlich die Erinnerung sind und bringt Spass das Puzzel zu ergänzen.

Sei herzlich gegrüßt von Dirlis
dirlis
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