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Meningeom, Rezidiv, Wundheilungsstörung mit Knochenbeteiligung und geplante Kranioplastik


Erst einmal danke an das Forum. Ich lese hier schon seit einigen Wochen herum und bin sehr dankbar, hier von Menschen zu lesen, die sicher nicht die gleichen, aber doch ähnliche Erfahrungen wie ich machen oder gemacht haben.

Ganz kurz zu mir: ich bin Anfang 50, weiblich und fand nach einem Grand Mal-Anfall 2003 (den ich natürlich erst danach als solchen erkannte) im Krankenhaus heraus, dass ich ein ziemlich großes (kleiner Apfel) Meningeom im Kopf hatte.

Ich habe auch zum aktuellen Verlauf Fragen – ich bin jetzt nicht sicher, ob ich die besser in einen eigenen Thread packen soll. Wenn das von Moderatorenseite sinnvoller ist, sagt mir doch bitte Bescheid oder verschiebt die entsprechenden Absätze … danke!

Hier also mein Erfahrungsbericht – da meine Erstdiagnose ja 2003 war, ist es eine etwas längere Geschichte:

OP 1 (2003) – Subtotale Resektion eines parasagittalen Falxmeningeoms WHO Grad I. Subtotal hieß hier, dass ein kleiner Rest wegen der Nähe zum Sinus sagittalis nicht entfernt werden konnte.

Diese erste OP ist für mich, abgesehen von dem großen Schock der Diagnose und der Angst vor der OP bzw. den möglichen OP-Folgen, die ich ja vermutlich niemand hier erklären muss, wirklich gut verlaufen. Ob OP oder nicht, war hierbei nie die Frage, das da M. so groß war, dass Bestrahlung nichtig Frage kam, und ohne OP wäre es lebensbedrohend gewesen. Es wurde, wenn ich mich recht erinnere, ca. 10 Tage nach der Diagnose operiert. Ich war wenige Tage nach der OP wieder so fit, dass ich allein aufstehen durfte, »das Ding« stellte sich auch nach der histologischen Untersuchung als gutartig heraus (soweit etwas, das im Schädel wächst und da eigentlich nicht hingehört, gutartig sein kann, wie der damals operierende NC nach der OP zu mir meinte), ich hatte keine neurologischen Ausfälle, auch keine weiteren epileptischen Anfälle.

Nach ca. 3 Monaten fing ich stufenweise wieder an zu arbeiten – ich glaube, nach 5 Monaten war ich wieder bei meiner vollen Arbeitszeit (die damals bei deutlich mehr als 40 Stunden / Woche lag) angekommen.

In den darauffolgenden 17 Jahren bis 2020 führt ich ein ganz normales Leben, gründete eine Familie, reiste, und orientierte mich beruflich noch einmal komplett neu. Das Meningeom hatte ich in Gedanken weitgehend verdrängt – da es mir ja gut ging, sah ich keine Veranlassung, mich quasi im Nachhinein noch ausführlicher damit zu beschäftigen.

Mir war aber die ganze Zeit klar, wieviel Glück ich gehabt hatte! Und dafür war und bin ich ich dankbar.

Dazwischen natürlich die – in immer weiteren Abständen erfolgenden – Verlaufskontrollen per MRT. Die fand ich schon immer beunruhigend – dass Meningeome dann doch gern mal wiederkommen, wusste ich auch schon von einer meiner Großmütter, die ebenfalls ein Meningeom erfolgreich operieren ließ und einige Jahre später ein Rezidiv hatte. Das nur am Rande.

OP 2 (2020) – Tumorresektion (Simpson Grad IV) des Rezidivs, das 2017 erstmalig entdeckt wurde und bis 2020 soweit gewachsen war, dass die NCs zur OP rieten. Das Rezidiv war mehr oder weniger um den Sinus sagittalis superior herumgewachsen. Im Vorfeld wurde eine Angiografie erstellt, die zeigte, dass der Sinus weitgehend verschlossen war – das Blut sucht sich wohl in so einem Fall, wenn das über Jahre geht, neue Bahnen. Unglaublich, so ein Körper …

Nach der OP hatte ich zwei fokale Anfälle, noch im KH, und wurde daraufhin auf Levetiracetam eingestellt. Die Nebenwirkungen fand ich nicht so toll (extreme Reizbarkeit und Müdigkeit), aber die Anfälle waren ja auch nicht so schön gewesen. Insofern nahm ich das Zeug natürlich. In Absprache mit meiner Neurologin fing ich im Februar an, es herunterzudosieren, womit ich ganz gut klarkam (und meine Familie war wohl auch froh, dass ich nicht mehr so schnell durch die Decke ging).

Im Kontroll-MRT im Februar 2021 konnte kein Tumorgewebe mehr nachgewiesen werden – Riesenerleichterung!

OP 3 (April 2021) – Wundrevision wegen Wundheilungsstörung und Knochendeckelinfektion. Das war mehr oder weniger eine Not-OP, da ich erst wegen meiner bestehenden Neurodermitis bei der Hautärztin gewesen war, als es im März im Bereich der Narbe zu nässen angefangen hatte. Als ich dann doch ins Krankenhaus zu den NCs ging, weil es meiner Hautärztin dann doch etwas unheimlich wurde, (wobei sie immer meinte, die Narbe sähe ok aus! Sonst wäre ich viel früher ins Krankenhaus gegangen …) stellten sie dort eine Fistel fest, die leicht eiterte und nässte, und operierten noch in derselben Nacht, weil sie befürchteten, es könne sich um eine Liquorfistel handeln. Es war aber »nur« eine Fistel, die auf den mittleren Teil des Knochendeckels ging, der bei der OP 2 herausgenommen und wieder eingesetzt worden war. Dieses Teil wurde, da entzündet, entfernt (ca. 3 x 5 cm). Im Krankenhaus bekam ich intravenös und für zuhause als Tabletten weitere verschiedene Antibiosen, um die augenscheinliche Infektion in den Griff zu kriegen.

Wie und warum es (fast 6 Monate nach der OP!) zu dieser Wundheilungsstörung gekommen war, konnte und kann sich bis heute sich keiner der Ärzt*innen so recht erklären – außer, dass das mittlere Knochendeckelfragment offensichtlich nicht richtig eingewachsen war und deshalb wohl für Keime anfällig. Es wurden allerdings (außer einem Verdacht auf anaerobe Keim, die dann auch medikamentös bekämpft wurden) nie Bakterien oder Pilze nachgewiesen …

OP 4 (Mai 2021) – 2. Wundrevision. Diese Wundrevision war jetzt schon extrem belastend. Ca. 3 Wochen nach der vorherigen OP hatte ich, eine Woche nach dem Fadenzug, wieder eine nässende Stelle an der Narbe gefunden (Flecken auf dem Kissen). Es wurde wieder aufgemacht, alles sauber gemacht, neu vernäht.

Mittlerweile gab es den Verdacht, dass meine problematische Haut (Neurodermitis plus mehrere vorherige Schnitte an derselben Stelle) für die schlecht heilende Stelle verantwortlich war – also, dass die Haut dort so dünn und zart war, dass sie immer wieder aufriss. Deshalb wurden bei dieser OP die Wundränder etwas gegeneinander verschoben (so dass dünne Haut auf dickere stößt).

Leider sah diese Naht von Anfang an nicht gut aus – so richtig hörte es nie auf, dass Wundsekret austrat – deshalb wurde die

OP 5 (Juni 2021) geplant und durchgeführt. Diesmal wurde eine große Verschiebeplastik gemacht mit einer S-förmigen Verlängerung der Schnitte zu beiden Seiten (also so eine Art liegendes S von hinter / under dem linken Ohr über den Scheitel senkrecht nach oben und wieder hinunter in einer Kurve hinter das rechte Ohr). Diesmal wurde der Kopf komplett rasiert, was mir eigentlich ganz recht war, obwohl ich meine langen Haare gemocht hatte – aber jetzt konnte nichts mehr in den Haaren verkleben und man konnte auch viel besser sehen, was eigentlich an der Haut und der Wunde so passierte. So richtig betrachten kann man ja diese Narben hinten am Kopf selbst nicht, aber mit zwei Spiegeln konnte ich mir zumindest einen vagen Eindruck verschaffen.

Diesmal wollten die NCs bis zu drei Wochen mit dem Fadenziehen abwarten. Leider nässte der problematische Teil der Naht wieder sehr bald. Nach Rücksprache mit den Dermatologen im KH wurde beschlossen, das Ganze jetzt mal in Ruhe zu lassen, zu beobachten, zu pflegen / sauberzuhalten und zu hoffen, dass es irgendwann von innen heraus von selbst heilen würde.

Dass ich und auch meine Familie mittlerweile mit den Nerven völlig am Ende waren, brauche ich wahrscheinlich nicht zu betonen. Ich schickte meine Familie in den (schon lang geplanten) Urlaub, damit sie wenigstens mal etwas Ablenkung bekamen, und blieb zwei (ziemlich angsterfüllte) Wochen allein, wobei ich die Wunde 2 bis mal pro Woche von Wundschwestern behandeln / kontrollieren ließ.

Ich hatte mehrmals bei den NCs nachgefragt, ob sie nicht doch ein tieferliegendes Problem innen im Kopf in Betracht ziehen würden – das wurde aber jedes Mal verneint. Die beiden verbleibenden Knochendeckel hätten bei den OPs gut (vital und nicht infiziert) ausgesehen und ihrer Meinung nach war das Problem meine schwierige Haut.

Als meine Familie wieder aus dem Urlaub kam, guckte mittlerweile ein Stück Schädelknochen aus der sich immer weiter öffnenden Wunde raus – die Wundschwestern meinten, das würde nie von selber heilen, es musste also irgend etwas passieren. In Absprache mit den bisher behandelnden NCs beschlossen wir, jetzt eine Zweitmeinung in einem anderen Krankenhaus einzuholen – sowohl in der Neurochirurgie als auch in der plastischen Chirurgie. Parallel wollte »mein« bisheriges NC-Team sich ebenfalls mit plastischen Chirurgen zu meinem Fall beraten und uns einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen machen. Es wurden uns verschiedene Optionen für Hauttransplantationen erläutert, die alle riskant und langwierig klangen.

Im 2. KH machten sie als Erstes ein CT und ein MRT und stellten fest, dass die beiden verbliebenen Knochendeckel aufgelockert aussahen (hypodens). Die dortige Neurochirurgin war sehr klar in ihrer Aussage, dass ihrer Meinung nach die sich auflösenden Knochendeckel für die Wundheilungsstörung verantwortlich waren und sie entsprechend raus mussten, wenn es eine Chance auf Heilung geben sollte.

Dieser Gedanke war sehr brutal für mich. Es handelt sich um eine Fläche von ca. 10 x 8 cm am Hinterkopf – etwas größer als meine Handfläche. Andererseits wollte ich, dass das endlich heilt.

Die NC meinte aber auch, dass sie einen KH-Wechsel nicht positiv sähe. Sie empfahl, bei den NCs zu bleiben, die meinen Kopf schon kennen.

Mit den neuen Aufnahmen gingen wir wieder zu den bisherigen NCs. Der leitende Oberarzt – den ich, wie das ganze Team dort, sehr schätze! – gab zu, dass er die Situation falsch eingeschätzt hatte und aufgrund des neuen CTs und nach Absprache mit dem Chefarzt der NC das Gleiche wie in dem 2. Krankenhaus empfahl. Der hinzugezogene Chefarzt der plastischen Chirurgie sah das genauso, und sollte bei der OP dabei sein, um ein optimales Verschieben und Vernähen meiner (ja mittlerweile ziemlich oft zerschnippelten) Kopfhaut sicherzustellen. Es gab ja auch die Gefahr, dass nach dem Beschneiden der Wundränder die Haut gar nicht mehr spannungsfrei zu schließen wäre – in so einem Fall kann man wohl einen Entlastungsschnitt, z.B. weiter unten am Hals machen, und von dort Haut weiter nach oben an den Kopf schieben – und auf solche Techniken sind dann wohl plastische Chirurgen spezialisiert.

OP 6 (September 2021) – Wundrevision mit Entfernung aller Knochendeckel, Austausch einer Duraplastik und direkter Verschluss – das war jetzt also die bisher letzte OP. Obwohl ich mich erst dagegen gewehrt hatte, weil es einfach Angst macht, so ein großes Stück des Schädels zu verlieren, ließ ich die OP durchführen. Dabei kam heraus, dass die Wunde tatsächlich wieder quasi die obere Öffnung einer bis auf den (»kaputten«) Knochen gehenden Fistel darstellte.

Diese OP lief wieder gut, ich war relativ schnell mobil, leider bekam ich wieder einige (davon einen ziemlich langen – fast 45 Minuten – ) fokale Anfälle, weshalb das Levetiracetam wieder hochdosiert wurde.

Nach 8 Tagen durfte ich nach Hause.

Nach 14 Tagen wurden die Fäden vom Chefarzt gezogen, er war sehr zufrieden mit der Heilung. Ich durfte die Haare auch waschen (was ich wochenlang zwischen den vorherigen OPs wegen der offenen Wunde nicht gedurft hatte – das war dann irgendwann ganz schön unappetitlich geworden …)!

Es folgten 2-wöchige Kontrollen und ich begann, mich vorsichtig optimistisch zu fühlen, obwohl die Narbe fast ständig zu spüren war / ist (juckt, piekst, brennt manchmal), was aber nach den vielen OPs wohl zu erwarten war. Einmal nässte eine winzige Stelle, dort zupfte der NC ein Subkutanfaden heraus, der sich nicht richtig aufgelöst hatte. Diese Stelle ist mittlerweile gut verheilt.

Der fehlende Knochen macht mir psychisch zu schaffen – tagsüber sinkt das Gewebe immer stark ein, und es fühlt sich einfach so ungeschützt an. Fürs Mitfahren im Auto etc. hab ich einen Helm bekommen, der aber so auf die Nähte drückt, vor allem in den ersten Wochen nach der OP, dass ich ihn in Absprache mit den Ärzten wirklich nur in gefährdenden Situationen (Auto) trage.

Kopfschmerzen habe ich auch immer noch sehr häufig.

Mein Hausarzt hat mich in diesen letzten Monaten übrigens psychologisch ganz wunderbar begleitet, mir Mut gemacht und Tipps gegeben – z.B., liebevoll mit den erkrankten Körperteilen zu reden, und nicht wütend. Mein Kopf und meine Haut können ja nicht dafür. Es ist einfach Pech. Also hab ich das im Vorfeld und auch jetzt im immer noch laufenden Heilungsprozess versucht. Es hilft zumindest manchmal, aus negativen Gedakenspiralen herauszukommen. Auch, mir immer wieder zu sagen, was alles gut ist – der Tumor ist draußen, er war gutartig, ich habe keine neurologischen Ausfälle, u.s.w.

Aktuell (Ende Oktober 2021): Im problematischen Bereich der Narbe fand mein Hausarzt nun doch wieder eine Stelle, die etwas verschorft und leicht nässend, evtl. entzündet wirkte. Laut meinen Neurochirurg*innen und den Wundschwestern, zu denen ich jetzt auch wieder 2 mal wöchentlich zur Kontrolle gehe, da sie vor Ort sind, handelt es sich aber – glücklicherweise – um oberflächliche Läsionen, die schon Granulations- und Epithelgewebe gebildet hatten und wahrscheinlich durch den noch darauf liegenden Schorf behindert wurden, schneller zu heilen. (Das Thema Schorf entfernen oder nicht ist ja auch höchst umstritten!)

Eine weitere winzige Stelle oberhalb der Läsion geht etwas tiefer und darin sitzt auch noch Schorf. Diese Stelle (ziemlich unter nachwachsenden Haaren versteckt) hat die Wundschwester gestern gefunden und nur vorsichtig gereinigt. Sie meinte, sie halte es für möglich, dass auch dort noch ein Subkutanfädchen drunter sitzen könnte und die vollständige Heilung dieses Stiches verhindert.

Das Ganze ist für mich – trotzdem die NCs die Stellen als nicht dramatisch ansehen, zum Glück! – ziemlich beunruhigend. Ich versuche ruhig zu bleiben. Mehr kann ich ja auch nicht tun, außer die Naht regelmäßig kontrollieren zu lassen.

Ich habe offengestanden mittlerweile den Verdacht, dass mein Körper mit den Subkutanfäden nicht immer klarkommt. Auch eine der NCs meinte, dass evtl. ein Fadengranulom für die Bildung der ersten Wundheilungsstörung verantwortlich sein könnte (dass sich daraus die Fistel entwickelt und so den Knochen angegriffen hat). Das ist aber alles Spekulation und das Problem scheint ja zu sein, dass es zu den Subkutanfäden eigentlich keine Alternative gibt. Anscheinend wurde bei mir schon wegen meiner bekannten Neurodermitis, Allergieneigung etc. besonders verträgliches / gut absorbierbares Nahtmaterial verwendet.

Eigentlich ist jetzt möglichst bald eine Kranioplastik geplant, um den Schädeldefekt zu decken, die kann aber natürlich erst erfolgen, wenn die Kopfhaut wirklich geheilt ist und sich das ganze Gewebe darunter auch beruhigt hat. Also, wie gesagt, meine wichtigste Hoffnung im Moment ist, dass die Naht komplett heilt und darunter auch alles soweit in Ordnung ist …

Wer es bis hierher geschafft hat, zu lesen, vielen Dank! Es hat gut getan, sich das Ganze mal von der Seele zu schreiben.

Falls jemand Erfahrungen oder weiterhelfende Informationen zum Thema Probleme mit Subkutanfäden oder überhaupt mit ähnlich verlaufenden Wundheilungsstörungen hat, würde ich freuen, davon zu hören!

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