Hallo,
ich habe mich heute in diesem Forum angemeldet, weil ich es unheimlich schwer finde, als Angehöriger mit dieser Krankheit und was sie aus meinem Vater macht, umzugehen.
Ich versuche mal so kurz und hoffentlich verständlich wie möglich den Verlauf zu beschreiben:
Betroffener: mein Vater (66), Rentner, allein lebend
Angehörige: Tochter (35), 2 Kinder (6 und 3), 40km entfernt lebend
Im Dezember 2015 bemerkte mein Vater Gedächtnislücken, intervallartige Kopfschmerzen und Konzentrationsschwächen. Im März ging er beunruhigt zum Hausarzt. Der überwies in gleich in eine Klinik. Dort wurde er mit Verdacht auf Demenz untersucht. Durch das MRT hat man eine Raumforderung festgestellt.
Er kam nach Hamburg Eppendorf zur weiteren Untersuchung. Dort wurde eine Probe entnommen.
Diagnose (31.03.): Glioblastoma multiforme WHO Grad IV, inoperabel.
Mein Vater konnte zu dem Zeitpunkt keinen Satz beenden, weil ihm die Worte fehlten, nicht mehr lesen, sich nicht mehr orientieren, hatte kein Zeitgefühl mehr, einen gestörten Gleichgewichtssinn, eingeschränktes Sehvermögen.
Nach der Diagnose wollte er sofort nach Hause. Dies ging nur, weil seine Lebensgefährtin (die voll berufstätig ist und 60km entfernt wohnt) für 4 Wochen krank geschrieben war und bei ihm in der Wohnung bleiben konnte.
Die Ärzte haben ihm die Entscheidung überlassen, ob er eine Therapie überhaupt machen möchte (Einschätzung: WENN man den Tumor operieren könnte (was ja nicht geht) und er würde eine Therapie machen, hätte er kein Jahr mehr zu leben).
Seit dem 21.04. macht er eine Strahlentherapie in Kombination mit Temodal (140).
Die Bestrahlung und Temodal verträgt er erstaunlich gut, bis auf 2 Tage Übelkeit hat er eigentlich keine Nebenwirkungen.
ABER alles drum herum ist schwer zu bewältigen!
Er kann wieder ganze Sätze sprechen, der Sinn ist allerdings schwer bis nicht verständlich! Alles, was man ihm erklärt, kann er nicht mehr verstehen/erfassen. Das macht es unheimlich schwer, ihm jegliche Dinge zu vermitteln. Er versteht nicht, warum der MDK kommen muss, warum man Schriftstücke unterschreiben muss, um Gelder etc. zu beantragen, warum er öfter zum Arzt muss, warum jemand in seine Wohnung kommen muss, um Tabletten zu stellen. Er lehnt fast alles ab!
Er ist zudem unheimlich aggressiv und beleidigend! Er hat schon fast Wahnvorstellungen (er denkt immer, es hört jemand zu oder will ihm was wegnehmen). Er kann sein Telefon meistens nicht bedienen, d.h. er ist für uns auch nicht immer erreichbar. Wir mussten bereits 2x die Polizei einbeziehen, weil er nicht an sein Telefon ging und nicht auffindbar war. Es kann ja immer sein, dass er einen epilleptischen Anfall bekommt, oder einfach nicht mehr weiß, wo er ist.
Meiner Meinung nach, kann er nicht alleine in seiner Wohnung bleiben, das Problem ist, dass er sich gegen jede Hilfe wehrt und körperlich einfach „noch zu fit“ ist. (Er irrt jeden Tag zur Bestrahlung zu Fuß! (Hin- und Rückweg sind 13 km!).
Ich habe jetzt Hilfe vom Palliativnetz. Es kommt 1x am Tag jemand, um nach ihm zu sehen und Tabletten zu stellen (das aber auch unter erschwerten Bedingungen).
Er will sich von keinem diktieren lassen, wann er zu Hause sein muss, er will sein eigenes Leben so führen wie früher.
Ich kann gar nicht richtig wiedergeben, wie schwer er es allen macht. Er tut mir natürlich unheimlich leid, aber er lässt sich leider nicht helfen.
Vor 2 Tagen bin ich zu ihm in die Wohnung gefahren, weil ich gesehen habe, dass es dringend erforderlich ist, mal aufzuräumen. Er hat etwas auf dem Herd anbrennen lassen, ernährt sich nicht ordentlich (in der ganzen Wohnung liegen Erdnussschalen), der Abwasch türmt sich, überall liegen Wäschestücke, ich finde leere Bierdosen und Weinflaschen, Blumen stecken verkehrt herum in der Blumenvase, ein Stück Kuchen liegt im Backofen (er hat wohl gedacht, es ist eine TK Pizza), Knoblauch steckt in der Kaffeemaschine...
Heute morgen um 6.15 Uhr hat er mich angerufen und mich angeschrien, dass wir geschiedene Leute sind und ich für ihn gestorben bin...
Puh, es ist fast unmöglich, zu vermitteln, was alles passiert ist und für Leser bestimmt total unverständlich - tut mir leid. Ich könnte mittlerweile ein Buch schreiben, weil eigentlich jeden Tag etwas Neues passiert.
Vielleicht kennt jemand einen ähnlichen Verlauf der Krankheit und man kann sich mal austauschen, im Moment bin ich echt ratlos, wie ich mit ihm umgehen soll (ich denke sehr viel über das Thema Zwangseinweisung nach...) FURCHTBAR!
Danke, für Eure Zeit!