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Juni 2001, heise-Online

Software erkennt Krebszellen

Um Patienten mit einer Krebserkrankung der richtigen Behandlung zu unterziehen, müssen Ärzte zuerst die Art der Krebszellen identifizieren. Bisher geschieht das, indem der Pathologe anhand einer entnommenen Gewebeprobe unter dem Mikroskop die Größe, Form und Farbe der Zellen untersucht. Handelt es sich um eine Gruppe von Krebsarten, deren Zellbeschaffenheit sich ähnelt, verwendet der Pathologe Proteinmarker zur Identifikation. Dieser Vorgang verzögert jedoch die Diagnose.

Um die Identifikation schneller und sicherer zu machen, haben der Molekularbiologe Paul Meltzer und der pädiatrische Onkologe Javed Khan, beide Forscher am National Human Genome Research Institute (NHGRI) in Bethesda (Maryland, USA), ein Computerprogramm so trainiert, dass es zwischen vier tödlichen Krebsarten bei Kindern (Neuroblastome, Rhabdomyosarkome, Non-Hodgkin-Lymphome und Ewing-Sarkome), deren Zellen sich sehr ähnlich sind, anhand der genetischen Fingerabdrücke der Krebszellen unterscheiden kann. Darüber berichtet jetzt das Fachmagazin Nature Medicine.

Hierfür analysierten die Forscher zunächst die Gene der vier Krebsarten anhand so genannter Gen-Chips, auf denen sie 6.567 Gene auf einmal beobachten konnten. Werden diese mit Markierungsfarben versehen, dann verändert sich die Farbintensität bei jedem aktiven Gen und es entsteht auf den Gen-Chips ein für diese Krebsart unverwechselbares Intensitäts-Muster, das in die Software eingespeist wurde. Im Testlauf identifizierte die Software alle 20 Gewebeproben der vier Krebstypen und sortierte fünf andere Krebsarten sowie gesundes Gewebe aus.

Ein von niederländischen Wissenschaftlern am Erasmus Medical Center in Rotterdam entwickeltes Skalpell dagegen überwacht während der Operation, ob der Chirurg an gesundem Gewebe oder an Krebszellen schneidet und erleichtert ihm so die vollständige Entfernung eines Tumors.

Das Messer ist mit einer nur millimetergroßen Glasfasersonde ausgestattet, die einen Laserstrahl auf das Gewebe sendet, ein optischer Sensor fängt das zurückgeworfene Licht wieder auf. Um anhand des reflektierten Lichts gesunde und kranke Zellen voneinander unterscheiden zu können, bedienen sich die Wissenschaftler der so genannten Raman-Spektroskopie: Verschiedene Arten von lebendem Gewebe besitzen ein charakteristisches Raman-Spektrum, das quasi dem Fingerabdruck der molekularen Zusammensetzung des jeweiligen Gewebes entspricht. Die verschiedenen Spektra wurden zuvor in einer Computerdatenbank gespeichert.

Während der Chirurg im Gewebe schneidet, vermisst der am Skalpell angebrachte optische Sensor das Raman-Spektrum und vergleicht dieses mit den verschiedenen anderen Spektra in der Datenbank, um zu erkennen, ob es sich um eine kanzerogene Zelle handelt oder nicht. Anhand der in der Datenbank gespeicherten Informationen lässt sich mit dem Messer so auch das Stadium des Tumors feststellen.

Bei ersten Versuchen an Ratten verglichen die Forscher die Analyse des Laserskalpells mit einer parallel durchgeführten herkömmlichen Biopsie. Tumorzellen im Endstadium erkannte das Laserskalpell dabei immer, Krebs im Frühstadium wurde in sieben von neun untersuchten Fällen richtig erkannt, gesundes Gewebe in 17 von 19 Fällen. Auch bei amerikanischen Wissenschaftlern an der Vanderbilt University in Nashville (Tennessee, USA), die ein von ihnen entwickeltes Raman-Spektroskop bei 24 Frauen mit Krebs einsetzten, wurden Krebszellen im Endstadium stets richtig erkannt. Die Forscher glauben, dass sich mit fortschreitender Genauigkeit ihrer Methode Biopsien ersetzen lassen. Zur Zeit arbeiten sie noch daran, den Analysevorgang zu beschleunigen - bislang liegt zwischen dem Abschuss des Laserstrahls und der Zuordnung des Gewebetyps noch mehr als eine Sekunde. (Andreas Grote)

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